Rz. 1
Die sofortige Beschwerde nach § 793 Abs. 1 ZPO ermöglicht es, Entscheidungen, die im Verfahren der Zwangsvollstreckung ohne mündliche Verhandlung ergehen können, vor dem Eintritt der formellen Rechtskraft durch die nächsthöhere Instanz überprüfen zu lassen. Zu beachten ist, dass die Bestimmung lediglich und ausschließlich die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde auf dem Gebiet des Verfahrens der Zwangsvollstreckung regelt (BGH, Beschluss v. 4.3.2021, I ZB 8/21). Die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren richtet sich nach den (allgemeinen) Bestimmungen der §§ 567 Abs. 2, 3, 568 bis 572 ZPO. Nach der "Generalklausel" des § 128 Abs. 4 ZPO kann eine Entscheidung, die nicht in der Form eines Urteils erlassen wird, ohne mündliche Verhandlung ergehen. Das bedeutet, dass bei allen Entscheidungen die in Beschlussform ergehen, die mündliche Verhandlung generell freigestellt ist (vgl. § 707 Abs. 2 Satz 1, § 719 Abs. 3, § 721 Abs. 4 Satz 2, § 732 Abs. 1 Satz 2, § 764 Abs. 3, § 769 Abs. 3, § 794a Abs. 1 Satz 3 und § 891 Satz 1 ZPO). Auf Entscheidungen, die lediglich der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung dienen, wie z. B. das Klauselerteilungsverfahren und das Verfahren zur Erteilung von Rechtskraft- und Notfristzeugnissen gehört nicht zum Zwangsvollstreckungsverfahren und unterliegen deshalb nicht der Bestimmung des § 793 ZPO. Für die Beschwerde gegen den Zuschlag in der Zwangsversteigerung sowie gegen bestimmte Entscheidungen vor der Beschlussfassung gelten die Sonderregeln der §§ 95 ff. ZVG. Nach § 1115 Abs. 5 ZPO ist die sofortige Beschwerde statthaft gegen Entscheidungen über die Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung ausländischer Entscheidungen im Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO. Gemäß §§ 95, 120 FamFG findet die sofortige Beschwerde grundsätzlich auch statt gegen die Vollstreckung aus Titeln, die in Verfahren nach dem FamFG ergangen sind. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG gilt § 793 ZPO sinngemäß auch im Verfahren zur Beitreibung von Justizverwaltungsabgaben. Im Verfahren zur vorläufigen Kontenpfändung nach der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 ist bei Ablehnung des Antrags auf Erlass eines entsprechenden Beschlusses gem. § 953 Abs. 1 ZPO im Inland die sofortige Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO der statthafte Rechtsbehelf (BT-Drs. 18/7560, S. 45). Wird die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung durch den Rechtspfleger des Gerichts 1. Instanz abgelehnt, ist das statthafte Rechtsmittel für den Gläubiger die sofortige Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO. § 793 ZPO findet keine Anwendung, weil die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung nicht Teil der Zwangsvollstreckung ist, sondern diese nur vorbereitet (BGH, NJW-RR 2020, 934).
Rz. 2
Die sofortige Beschwerde ist der Rechtsbehelf gegen
- die Erinnerungsentscheidungen des Richters nach § 766 ZPO;
- die Entscheidungen des Prozessgerichts als Vollstreckungsorgan im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach den §§ 887, 888, 890 ZPO;
- gegen die Entscheidungen des Richters am Amtsgericht im Rahmen des § 758a ZPO;
- gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers (§ 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. § 793 ZPO)
- und die Entscheidungen des Richters am Vollstreckungsgericht, die dieser an der Stelle des an sich zuständigen Rechtspflegers, etwa nach den §§ 5, 6 RPflG, getroffen hat.
- Gegen eine vollstreckungsgerichtliche Entscheidung des Oberlandesgerichts im 1. Rechtszug ist die sofortige Beschwerde gem. § 793 ZPO nicht statthaft (BGH, Beschluss v. 4.3.2021, I ZB 8/21).
Rz. 3
Zu beachten bleibt die Besonderheit der Fälle, in denen das Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan tätig wird (§§ 867, 866 ZPO). Diese Aufgaben sind ebenfalls dem Rechtspfleger übertragen (§ 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG). Hier wird das Rechtsbehelfssystem der ZPO durch § 71 GBO modifiziert: Rechtsbehelf ist die Grundbuchbeschwerde (§ 11 Abs. 1 i. V. m. § 71 GBO). In § 793 ZPO ist lediglich die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde geregelt. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sowie das Verfahren ist in den §§ 567ff. ZPO. Gegen Entscheidungen, die das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht trifft, ist § 793 ZPO anwendbar (BGH, NJW-RR 2011, 1495; NZI 2006, 699; NZI 2004, 447; Ausnahmefall: Prozessgericht bei Bestimmung der pfändbaren Bezüge des Schuldners durch den Treuhänder; BGH, NZI 2018, 528 m. Anm. v. Keller). Das hat im Wesentlichen Bedeutung für die Eröffnung des Rechtsmittelzuges, der sich bei der Anwendung des § 793 ZPO nach § 574 Abs. 1 S. Nr. 2 ZPO und nicht nach § 6 InsO richtet (BGH, WuM 2011, 486).