Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 20 Abs. 1 FGG, § 27 FGG
Kommentar
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte folgende Situation zu entscheiden:
Im Streitfall hatte sich die Hauptsache im 2. Rechtszug erledigt; Hauptsacheerledigung tritt ein, wenn der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis fortgefallen ist, das eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeigeführt hat, oder wenn die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hat oder wenn es auf die zu behandelnde Frage nicht mehr ankommt (BayObLG, WE 1988, 35). Die Hauptsacheerledigung ist in jeder Lage des Verfahrens und in jedem Rechtszug von Amts wegen zu prüfen, ohne dass es einer Erledigterklärung durch die Beteiligten bedarf.
In WE-Sachen erledigt sich ein Verfahren in der Hauptsache u. a. dann, wenn ein angefochtener Eigentümerbeschluss durch einen unanfechtbar gewordenen Eigentümerbeschluss bestätigt oder durch einen Aufhebungs- oder Änderungsbeschluss ersetzt wird (h. M.). Im vorliegenden Fall wurde durch neuerliche Beschlussfassung ein angefochtener Beschluss geringfügig abgeändert, i. ü. inhaltsgleich bestätigt. Beschließt eine Wohnungseigentümergemeinschaft über eine schon geregelte Angelegenheit, so ist der zweite Beschluss auch bei Wirksamkeit schon des ersten kein nichtiger Beschluss, da er nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstößt und auch ansonsten nicht mit Nichtigkeitsmängeln behaftet ist (BGH, NJW 91, 979).
Der Antragsteller einer Anfechtung auf Ungültigerklärung eines früheren Beschlusses verliert bei Hauptsacheerledigung (neuerlicher bestätigender Beschlussfassung) das Rechtsschutzbedürfnis. Entfällt wie hier das Rechtsschutzbedürfnis erst in der Beschwerdeinstanz, so hat dies auf die Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde (Rechtsbeschwerde) allerdings keinen Einfluss (einschränkend Demharter, ZMR 1987, 201/204). Das neue Rechtsmittel kann vielmehr gerade darauf gestützt werden, die Vorinstanz habe die Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde nicht erkannt oder der Beschwerdeführer habe keine Gelegenheit erhalten, sein Rechtsmittel auf die Kosten zu beschränken.
Der Senat hält an seiner früheren Rechtsprechung (WM 87, 238; zuletzt WE 92, 86) insoweit nicht mehr fest. Nach früherer Meinung auch des 1. und vorübergehend auch des 3. Senats wurde das in einer WE-Sache eingelegte Rechtsmittel gegen eine Sachentscheidung der Vorinstanz als unzulässig angesehen, wenn sich die Hauptsache vor Erlass der Entscheidung erledigt hatte und der Beschwerdeführer von der Hauptsacheerledigung ausgehe.
Nunmehr hält es der Senat für sachgerecht, auch in genannten Fällen eine Überprüfungsmöglichkeit der Folgen der Erledigung der Hauptsache durch das Rechtsbeschwerdegericht zu eröffnen und die Beteiligten nicht schlechter zu stellen, als bei einer zutreffenden Behandlung der Hauptsache durch die Vorinstanz. Es wäre widersprüchlich, die Anfechtung nach § 20a Abs. 2 FGG zuzulassen, wenn das Gericht nach Erledigung der Hauptsache (und übereinstimmender Erledigterklärung) richtigerweise nur noch über die Kosten entscheide, die Anfechtung aber auszuschließen, wenn das Gericht zumindest objektiv unrichtig trotz Erledigung noch eine Entscheidung über die Hauptsache treffe.
Im vorliegenden Fall hatte das Rechtsmittel Erfolg, da im Beschwerdeverfahren die Erstbeschwerde mangels Beschränkung auf die Kosten als unzulässig hätte verworfen werden müssen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung in der Hauptsache habe nicht mehr bestanden. Dem LG war jedoch der "überholende" Zweitbeschluss nicht bekannt; es wäre Sache der Antragsgegner gewesen, im Beschwerdeverfahren selbst auf diesen neuen Eigentümerbeschluss hinzuweisen (was nicht geschehen ist). Zwar habe das Gericht die Erledigung der Hauptsache von Amts wegen zu berücksichtigen; entsprechende Ermittlungen müsse es aber nur anstellen, wenn dafür Anhaltspunkte ersichtlich seien ( § 12 FGG). Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Insbesondere würden im echten Streitverfahren wie hier der Amtsermittlungspflicht Grenzen durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten gesetzt (BayObLG, WE 1989, 58).
Die Verwerfung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des AG sei nunmehr vom Senat nachzuholen.
2. Keine außergerichtliche Kostenerstattung.
Geschäftswertfestsetzung für das Rechtsbeschwerdeverfahren und das Verfahren vor dem Amtsgericht: DM 7.577,- (Schadenersatzforderung einer Gemeinschaft gegen einen Bauunternehmer und Beschlussfassung, vom Unternehmer erhaltene DM 7.577,73 der Instandhaltungsrücklage zuzuführen).
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 30.09.1992, 2Z BR 61/92)
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