Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätete Ausübung des Sonderausgabenabzug bei Riester-Rente
Leitsatz (redaktionell)
- Das Wahlrecht, gemäß § 10a EStG Altersvorsorgebeiträge im Sinne von § 82 EStG (Beiträge zur „Riester-Rente”) als Sonderausgaben abzuziehen, ist bis zum Eintritt der formellen und materiellen Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung auszuüben. Bei einer späteren Ausübung des Wahlrechts (hier durch eine berichtigte Einkommensteuererklärung) lassen auch §§ 173 AO, 175, 175b und 129 AO keine Änderung der keinen Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG berücksichtigenden Einkommensteuerfestsetzung zu.
- Ein Steuerpflichtiger übt das Wahlrecht aus § 10a EStG nicht dadurch aus, dass er in die Datenübermittlung des Anbieters an die Finanzverwaltung einwilligt.
Normenkette
EStG § 10a; AO § 89 Abs. 1 S. 1, §§ 93, 150 Abs. 7 S. 2, § 175b; AltvDV § 10 Abs. 4
Streitjahr(e)
2019
Tatbestand
Die Kläger begehren die vollständige Berücksichtigung von Altersvorsorgebeiträgen als Sonderausgaben bei der Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2019 (Streitjahr).
Die verheirateten Kläger wählten mit der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr vom 15.09.2020 die Zusammenveranlagung. Dabei erklärten die Kläger neben Einkünften des Klägers zu 1. aus nichtselbständiger Arbeit, aufgrund derer er im Streitjahr in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert war, insbesondere Kapitalerträge i. H. v. 2.110,- Euro bei einem in Anspruch genommenen Sparer-Pauschbetrag von 1.588,- Euro. Einen Antrag auf Berücksichtigung von Altersvorsorgebeiträgen im Rahmen des Sonderausgabenabzugs nach § 10a des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) stellten die Kläger nicht. Dabei hatte der Anbieter dem Beklagten (das Finanzamt – FA –) im Wege der elektronischen Datenübermittlung bereits am 27.01.2020 mitgeteilt, dass der Kläger zu 1. im Streitjahr Altersvorsorgebeiträge für einen Riester-Rentenvertrag in Höhe von 1.947,95 Euro geleistet hatte.
Das FA setzte mit Bescheid vom 13.10.2020 die Einkommensteuer für das Streitjahr erklärungsgemäß in Höhe von 6.296,- Euro fest. Im Erläuterungsteil des Bescheides teilte das FA mit, dass vom Anbieter elektronisch übermittelte Beitragsdaten zu einer zusätzlichen Altersvorsorge vorlägen und dass weitere Angaben benötigt würden, falls die Kläger eine Überprüfung durch das FA wünschten, ob hierfür ein Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG günstiger sei als der Anspruch auf die Zulage. Für diesen Fall bat das FA um Abgabe einer Anlage AV innerhalb der Einspruchsfrist.
Eine Reaktion der Kläger hierauf blieb zunächst aus. Erst mit berichtigter Einkommensteuererklärung für das Streitjahr vom 20.01.2021 machten die Kläger Angaben zum Vorsorgeaufwand für eine Riester-Altersvorsorge.
Aufgrund einer Auswertung der übermittelten Angaben über Freistellungsaufträge durch das Bundeszentralamt für Steuern stellte das FA fest, dass die Kläger im Streitjahr Freistellungsbeträge i. H. v. 802,- Euro bei der A sowie i. H. v. 1.514,- Euro bei der B in Anspruch genommen hatten.
Nachdem das FA die Kläger mit Schreiben vom 24.03.2022 insoweit zur Stellungnahme aufgefordert hatte, wiesen die Kläger u. a. darauf hin, dass ihre berichtigte Steuererklärung für das Streitjahr vom 20.01.2021 bislang nicht berücksichtigt worden sei. In der ursprünglichen Steuererklärung vom 15.09.2010 hätten sie – die Kläger – die geleisteten Altersvorsorgebeiträge i. H. v. 1.948,- Euro versehentlich nicht geltend gemacht; es werde um entsprechende Berichtigung der Steuerbescheide unter anderem für das Streitjahr gebeten.
Das FA änderte daraufhin mit Bescheid vom 16.05.2022 die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) und setzte Einkommensteuer i. H. v. 6.269,- Euro fest. Dem Begründungsteil des Bescheides zufolge ergab sich – unter Berücksichtigung insbesondere von Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG und von Altersvorsorgebeiträgen i. H. v. 1.948,- Euro – eine festzusetzende Einkommensteuer von i. H. v. 5.971,- Euro, an deren Stelle das FA jedoch unter Verweis auf die Änderungsbeschränkung nach § 177 AO eine mindestens festzusetzende Einkommensteuer i. H. v. 6.269,- Euro ansetzte. In den Erläuterungen führte das FA hierzu aus, der Antrag auf Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen sei nach Eintritt der Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung eingegangen. Eine Änderung sei daher nicht mehr möglich gewesen, jedoch habe dem Antrag im Rahmen der aufgrund der Kapitalerträge geänderten Steuerfestsetzung bis zur Kompensation der Steuernachzahlung aufgrund der Kapitalerträge entsprochen werden können.
Am 15.06.2022 legten die Kläger hiergegen Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, sie hätten die im Streitjahr geleisteten Altersvorsorgebeiträge in ihrer Einkommensteuererklärung versehentlich nicht erwähnt. Der Betrag sei aber vom Anbieter an die Finanzverwaltung gemeldet worden und habe somit wie...