Entscheidungsstichwort (Thema)

Überprüfung eines Einigungsstellenspruchs. rollierendes Freizeitsystem im Einzelhandel

 

Leitsatz (amtlich)

1) Eine Regelung in einem Einigungsstellenspruch, durch die gewährleistet: wird, daß ein Freizeittag in einem rollierenden Arbeitszeitsystem der Verkaufskräfte im Einzelhandel nicht auf einen gesetzlichen Wochenfeiertag fällt verkürzt nicht die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit i.S.d. § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG.

2) § 2 des MTV für den hessischen Einzelhandel schreibt, weder ein starres Rolliersystem vor, noch setzt er es voraus. Er verbietet es allerdings auch nicht, den Freizeittag auf einen gesetzlichen Feiertag zu legen. Ob durch die getroffene Regelung die Interessen einer Seite unerträglich beeinträchtigt werden ist eine Frage der Ermessensüberprüfung.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 2, § 76 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Beschluss vom 25.05.1987; Aktenzeichen 4 BV 1/87)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 25.07.1989; Aktenzeichen 1 ABR 46/88)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Arbeitsgericht Gießen vom 25.05.1987 – 4 BV 1/87 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines

Einigungsstellenspruchs.

Die Antragstellerin ist ein Einzelhandelsunternehmen. Der Antragsteller ist der im Betrieb der Antragstellerin in G.

gewählte Betriebsrat. Im Betrieb der Antragstellerin findet der Manteltarifvertrag für den Hessischen Einzelhandel (nachfolgend MTV genannt) Anwendung. In der ab 1. Januar 1986 gültigen Fassung heißt es in § 2 MTV:

„Arbeitszeit

  1. Die regelmässige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen beträgt 38,5 Stunden. Die über 38,5 Stunden hinausgehende Arbeitszeit ist gem. § 3, Ziffer 4 zu vergüten.

    Aus Anlaß der Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit sollen Pausen weder verlängert noch neu geschaffen werden.

  2. Eine von Ziffer 1 abweichende Regelung kann durch Betriebsvereinbarung, in Betrieben ohne Betriebsrat durch einzelvertragliche Regelung, getroffen werden, sofern

    1. eine im voraus festgelegte zusammenhängende regelmässige Freizeit (z. B. rollierende Freizeitsysteme) vereinbart wird. In diesem Fall muß im Durchschnitt eines Kalenderjahres die 38, 5 Stundenwoche erreicht werden;
    2. die bei anderen vorbestimmten Freizeitsystemen entstehende Freizeit zusammengefaßt und auf der Basis einer

      6 Wochen- oder

      Quartals-

      Jahresplanung

      unter Einhaltung des Durchschnitts der Wochenarbeitszeit von 38, 5 Stunden geregelt wird.

      Die Regelungen nach a) und b) müssen jedoch zu zusammenhängender Freizeit nicht unter 4 Stunden führen.

  3. Bestehende und bis zum 31.12.1985 neu begründete Teilzeitarbeitsverträge dürfen nicht unter 20 Stunden in der Woche einseitig gekürzt werden.
  4. Ruhepausen können nur dann von der Arbeitszeit abgezogen werden, wenn sie mindestens 15 Minuten betragen. Fällt ein gesetzlicher Feiertag auf einen Werktag, so vermindert sich die regelmässige wöchentliche Arbeitszeit um die an diesem Tage ausfallenden Arbeitsstunden. An Heilig-Abend endet die Arbeitszeit um 14.00 Uhr.
  5. Die tägliche Arbeitszeit und die Pausen werden zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen und behördlichen Anordnungen vereinbart. Dabei darf die tägliche Arbeitszeit für Jugendliche 8 Stunden nicht überschreiten. Wenn die Arbeitszeit regelmässig in erheblichem Umfang aus Arbeitsbereitschaft besteht, kann die regelmässige werktägliche Arbeitszeit für das Fahrpersonal (Kraftfahrzeugfahrer und Beifahrer) bis zu 46,5 Stunden wöchentlich und für das Wachpersonal (Pförtner und Wächter) bis zu 43,5 Stunden wöchentlich ausgedehnt werden.

    Darüber hinausgehende Mehrarbeit ist nur im Rahmen der Bestimmungen der Arbeitszeitordnung zulässig.

  6. Die jeweils für den Betrieb geltende Arbeitszeitregelung ist durch Aushang bekanntzugeben.
  7. Dringende Vor- und Abschlußarbeiten, Zu-Ende-Bedienen der Kundschaft, Aufräumungsarbeiten, Kassenabschluß und dergleichen sind von dem hierfür erforderlichen Personal als Ausnahme über die in Ziffer 1 festgelegten Arbeitszeit hinaus zu leisten und zu vergüten. Die hierfür erforderliche Zeit darf 15 Minuten am Tag nicht überschreiten. Ein Mehrarbeitszuschlag ist für diese Zeit zu zahlen.”

Ein Teil der bei der Antragstellerin beschäftigten Vollzeitarbeitskräfte arbeitet im Rahmen der 6-Tage-Woche an fünf Tagen, wobei ein Tag wöchentlich vorwärtsrollierend arbeitsfrei ist (rollierendes Freizeitsystem). Da sich die Beteiligten nicht über die Umsetzung der in § 2 MTV geregelten Verkürzung der regelmässigen wöchentlichen Arbeitszeit einigen konnten, wurde zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten eine Einigungsstelle tätig. Diese fällte am 23. Januar 1987 u. a. einen Spruch zur Regelung der rollierenden Arbeits- und Freizeit, dessen vom Vorsitzenden unterzeichnete Ausfertigung der Antragstellerin am 17. Februar 1987 zugestellt wurde. Hinsichtlich des Inhalts dieses Spruchs wird auf Bl. 12 – 18 d.A. verwiesen.

Mit ihrem am 2. März 1987 bei Ge...

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