Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl. Anfechtung
Leitsatz (redaktionell)
Nur wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Vorschriften zum Wahlverfahren zur Betriebsratswahl kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre, bleibt die Wahl trotz Anfechtung rechtwirksam.
Orientierungssatz
Erfolgreiche Betriebsratswahlanfechtung wegen Nichteinhaltung der Sechswochenfrist des § 3 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 19; WO-BetrVG § 3 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Hanau (Beschluss vom 06.10.2010; Aktenzeichen 1 BV 6/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 4) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hanau vom 06. Oktober 2010 – 1 BV 6/10 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die Beteiligte zu 1) ist eine bundesweit tätige Klinikbetreiberin mit 33 Klinikbetrieben mit einer Gesamtkapazität von 7.900 Betten. Ihre Zweigniederlassung A, eine Fachklinik für Neurologie und Orthopädie, verfügt über 292 Betten und 153 Mitarbeiter. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind zentrale Dienstleistungsgesellschaften der B-Gruppe. Die Bereiche der gastronomischen Versorgung und der Therapieleistungen wurden aus den Klinikbetrieben auf die Beteiligten zu 2) und 3) übertragen.
Der Beteiligte zu 4) ist der aus der Betriebsratswahl vom 6. Mai 2010 hervorgegangene Betriebsrat, dessen Wahl die Beteiligten zu 1) bis 3) angefochten haben. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beteiligten zu 1) bis 3) einen gemeinsamen, unter einheitlicher Leitung stehenden Betrieb in C bilden. Vor diesem Hintergrund war das einstweilige Verfügungsverfahren 1 BVGa 3/10 anhängig, in dem der Wahlvorstand zur Vorbereitung einer gemeinsamen Wahl die Herausgabe der Namensliste sämtlicher wahlberechtigter Arbeitnehmer der Beteiligten zu 1) bis 3) verlangt hatte. Das Arbeitsgericht Hanau verpflichtet die Beteiligten zu 1) bis 3) durch Beschluss vom 31. März 2010 (– 1 BVGa 3/10 – Bl. 416 ff. d. A.) zur Herausgabe von Namenslisten. Nach Erledigung dieses Verfahrens sind noch die weiteren Beschlussverfahren 3 BV 1/10 – 9 TaBV 207/10 und 3 BV 2/10 – 9 TaBV 5/11 anhängig, in denen die Beteiligten in Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG darum streiten, ob die Beteiligten zu 2) und 3) eigenständige betriebsratsfähige Organisationseinheiten darstellen.
Mit ihrer am 19. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Antragsschrift haben die Beteiligten zu 1) bis 3) die Betriebsratswahl angefochten. Sie haben ihr Begehren neben der weiterhin vertretenen Verkennung des Betriebsbegriffs darauf gestützt, die Wahl habe gegen zwingende Vorschriften der Wahlordnung (WO) verstoßen, u. a. habe der Wahlvorstand § 3 Abs. 1 Satz 1 WO verletzt, indem er die dort geregelte Mindestfrist von sechs Wochen missachtet hätte mit der Folge, dass die Wahl frühestens am 7. Mai 2010 hätte stattfinden dürfen.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben beantragt,
die am 6. Mai 2010 durchgeführte Betriebsratswahl im Betrieb der D GmbH & Co. KG, Zweigniederlassung A, für unwirksam zu erklären.
Der Beteiligte zu 4) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 4) ist wie zuvor der Wahlvorstand davon ausgegangen, dass ein gemeinsamer Betriebsrat zu bilden gewesen und wirksam gewählt worden sei. Soweit sich die Beteiligten zu 1) bis 3) auf Verfahrensverstöße beriefen, hätten sie diese zum größten Teil selbst zu verantworten. Der Ausgang der Wahl sei durch die gerügten Verstöße jedenfalls nicht beeinflusst worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Hanau hat dem Antrag durch Beschluss vom 6. Okt. 2010 – 1 BV 6/10 – stattgegeben. Es hat die Wahl für unwirksam angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Wahl sei wegen Verstoßes gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren rechtsunwirksam. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WO müsse das Wahlausschreiben spätestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe erlassen werden, wobei der Tag des Erlasses entsprechend § 187 Abs. 1 BGB i.V.m. § 41 WO nicht mitzuzählen sei. Die zwingende Mindestfrist des § 3 Abs. 1 Satz 1 WO sei durch den Aushang des Wahlausschreibens vom 1. April 2010 (Kopie Bl. 26 f. d. A.) nicht gewahrt worden, da die Wahl frühestens am 7. Mai 2010 hätte stattfinden dürfen und nicht – wie im Wahlausschreiben angekündigt – bereits am 6. Mai 2010. Ob die Beteiligten zu 1) bis 3) die fehlende Wahrung der Frist (mit) verursacht hätten, wie der Betriebsrat meine, könne dahinstehen, da die Anfechtbarkeit der Wahl nach § 19 BetrVG an den objektiven Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften anknüpfe und ein etwaiges (Mit-) Verschulden der Beteiligten zu 1) bis 3) bzw. ihrer Repräsentanten allenfalls Sanktionen wegen Wahlbehinderung nach § 119 BetrVG auslösen könnte. Schließlich müsse eine fehlerhaft...