Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostentragung für die Sachkosten der Arbeit der Schwerbehindertenvertretung. Keine Kostentragung für Sachverständige und Berater der Schwerbehindertenvertretung
Leitsatz (amtlich)
Kosten für Berater und Sachverständige der Schwerbehindertenvertretung im Zusammenhang mit einer freiwillig vom Arbeitgeber zu Verhandlungen mit dem Betriebsrat hinzugezogenen Schwerbehindertenvertretung sind nicht erstattungsfähig.
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber hat die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten zu tragen. Dies kann auch die Kosten für eine Bürokraft umfassen.
2. Im Gegensatz zum BetrVG enthält das SGB IX keine Normen, die dem Gremium die Hinzuziehung eines Sachverständigen oder Beraters gestatten. § 179 Abs. 8 SGB IX entspricht lediglich der Regelung des § 40 BetrVG. Eine § 80 Abs. 3, § 111 Abs. 1 S. 2 BetrVG vergleichbare Regelung fehlt jedoch im SGB IX. Daraus, dass dem SGB IX diese vergleichbaren Regelungen fehlen, folgt, dass der Gesetzgeber die Heranziehung von Sachverständigen/Beratern für die Schwerbehindertenvertretung gerade nicht zulassen wollte.
Normenkette
SGB IX § 179 Abs. 8, § 178 Abs. 2; BetrVG §§ 40, 80 Abs. 3, § 111 Abs. 1 S. 2, § 117 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 26.06.2020; Aktenzeichen 13 BVGa 298/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2020 – 13 BVGa 298/20 – wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in einem einstweiligen Verfügungsverfahren über die Zustimmung des Arbeitgebers zur Beauftragung einer Rechtsanwältin als Beraterin/Sachverständige der Schwerbehindertenvertretung zu Interessenausgleichsverhandlungen sowie für Verhandlungen über die Betriebsvereinbarung „Kurzarbeit und Aufstockungsbetrag“ und die Freistellung von den hierfür anfallenden Kosten.
Antragsteller ist die in dem Luftfahrtunternehmen der Beteiligten zu 2 (Arbeitgeber) für das fliegende Personal gewählte Schwerbehindertenvertretung.
Auf der Grundlage des Tarifvertrages Personalvertretung Nr. 2 (TV PV) i.V.m. § 117 Abs. 2 BetrVG ist im Unternehmen des Arbeitgebers eine Personalvertretung für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer errichtet.
Mit E-Mail vom 29. Mai 2020 teilte der Arbeitgeber der Schwerbehindertenvertretung mit, dass Gespräche über einen Interessenausgleich und die Laufzeit der Betriebsvereinbarung Kurzarbeit Kabine geführt werden sollen und unterbreitete Terminvorschläge. Am 5. Juni 2020 lud er die Vertrauensperson der Schwerbehinderten für ein erstes Gespräch am 10. Juni 2020 ein. Ebenfalls am 5. Juni 2020 beschloss die Schwerbehindertenvertretung, eine Rechtsanwältin als Sachverständige/Beraterin für die anstehende Bearbeitung des Interessenausgleichs und der Betriebsvereinbarung Kurzarbeit und Aufstockungsbetrag zu mandatieren (Bl. 30 der Akte). Damit ist der Arbeitgeber nicht einverstanden.
Hinsichtlich der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 121-123 der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 123-124R der Akte) verwiesen.
Dieser Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Schwerbehindertenvertretung am 30. Juni 2020 zugestellt, die dagegen am 3. Juli 2020 Beschwerde eingelegt und diese am 13. Juli 2020 begründet hat.
Die Schwerbehindertenvertretung rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass sie nach § 179 Abs. 8 SGB IX für die Erfüllung ihrer Aufgaben eine Sachverständige hinzuziehen könne. Dass anders als in § 80 Abs. 3 BetrVG/§ 80 Abs. 3 TV PV in § 179 SGB IX die Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht (ausdrücklich) geregelt sei, spreche nicht gegen einen solchen Anspruch der Schwerbehindertenvertretung. Im Gegenteil. Der Wortlaut des § 179 Abs. 8 SGB IX enthalte keine Einschränkung bezüglich der Hinzuziehung eines Sachverständigen. Dafür spreche auch der Wortlaut von § 179 Abs. 8 S. 3 SGB IX, nach dem „auch“ die Beschäftigung einer Bürokraft der Schwerbehindertenvertretung möglich sei. Der geplante Interessenausgleich und die abzuändernde Betriebsvereinbarung berührten die Interessen der schwerbehinderten Mitarbeiter im Sinne des § 178 Abs. 2 SGB IX. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts liege auch eine Entscheidung des Arbeitgebers im Sinne des § 178 Abs. 2 SGB IX vor, die das Anhörungsrecht der Schwerbehindertenvertretung auslöse. Dass dieses nur einseitige Willensakte des Arbeitgebers erfasse, lasse sich so dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen. Vielmehr müsse der Arbeitgeber sowohl darüber, ob er selbst ein Angebot auf Abschluss unterbreite, als auch darüber, ob er ein Angebot der Personalvertretung annimmt, eine Entscheidung treffen. Dies gelte folglich auch hier für den Abschluss des Interessenausgleichs und der Betriebsverein...