Entscheidungsstichwort (Thema)
Hausverbot für den Betriebsratsvorsitzenden als Behinderung der Betriebsratsarbeit. Ausübung des Betriebsratsmandats als immanente Beschränkung des Hausrechts des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Die Verweigerung des Zutritts des Betriebsratsvorsitzenden zum Betrieb des Arbeitgebers durch Ausspruch eines Hausverbots stellt eine Behinderung der Betriebsratsarbeit im Sinne von § 78 Satz 1 BetrVG dar.
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber hat den Betriebsratsmitgliedern zur ordnungsgemäßen Amtsausübung jederzeitigen Zugang zum Betrieb zu gewähren. Insoweit ist das Hausrecht des Arbeitgebers immanent durch die Wahrnehmung des Betriebsratsamts beschränkt. Denn die Mitgliedschaft im Betriebsrat beinhaltet zugleich ein Zugangsrecht zum Betrieb.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; BetrVG § 78 S. 1, § 2 Abs. 1, § 23; StGB § 267; LuftSiG § 7
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.05.2023; Aktenzeichen 13 BVGa 223/23) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Mai 2023 – 13 BVGa 223/23 – wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über den Zutritt des Betriebsratsvorsitzenden zum Betrieb des Arbeitgebers.
Der Arbeitgeber (Beteiligte zu 3) betreibt Luftfahrt-Catering am Frankfurter Flughafen. Bei ihm ist ein Betriebsrat (Antragsteller zu 1) gebildet, dessen Vorsitzender der Antragsteller zu 2 ist.
Am 6. April 2023 (Gründonnerstag) fand um 9:00 Uhr eine Betriebsratssitzung statt. Um 9:21 Uhr schrieb der „Head of HR“, A, an den Betriebsratsvorsitzenden eine E-Mail, wonach die Personalabteilung an diesem Tag nur bis 13:00 Uhr im Haus sei (Bl. 67 der Akte). Um 14:30 Uhr versuchten zunächst die Zeugin B Unterlagen aus der Betriebsratssitzung bei Herrn C (Sachbearbeiter Personalabteilung) abzugeben, der die Annahme verweigerte, ebenso wie im Anschluss Frau D (Teamleiterin HR Administration). Sodann ging der Betriebsratsvorsitzende zum Betriebsleiter E, der auf die E-Mail des Herrn A vom gleichen Tag verwies. Herr E war nicht dafür zuständig, die Unterlagen des Betriebsrats mit einem Eingangsstempel zu versehen. Daraufhin nahm der Betriebsratsvorsitzende im Vorzimmer der Betriebsleitung selbst den Eingangsstempel und versah unter dem Datum 6. April 2023 damit die Unterlagen des Betriebsrats, die er unter einer Tür durchschob. Der Arbeitgeber erstattete daraufhin Strafanzeige gegen den Betriebsratsvorsitzenden (Bl. 73 der Akte) und sprach ein Hausverbot aus (Bl. 155 der Akte). Er leitete ferner beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main ein Verfahren auf Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat ein (Az. 10 BV 212/13).
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 221-223R der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben; wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 223R bis 226R der Akte) verwiesen.
Dieser Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers am 17. Mai 2023 zugestellt, die dagegen am 15. Juni 2023 Beschwerde eingelegt und diese am 17. Juli 2023 begründet hat.
Der Arbeitgeber rügt, das Arbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Betriebsratsvorsitzende eine Straftat (Urkundenfälschung) begangen habe und Wiederholungsgefahr bestehe, indem er deutlich gemacht habe, dass er in Zukunft immer so vorgehen würde. Die Begründung des Arbeitsgerichts, dass das Hausverbot in zeitlicher Hinsicht begrenzt sein solle auf Zeiten, in denen die Personalabteilung nicht zu Hause ist, überzeuge nicht. Hinzu komme, dass in den Fällen, in denen die Personalabteilung nicht zugegen ist, erneut die Möglichkeit bestehe, dass der Betriebsratsvorsitzende eine Straftat zulasten des Arbeitgebers begehe. Es sei daher für den Arbeitgeber absolut untragbar, dem Betriebsratsvorsitzenden Zutritt zu gewähren. Hinzu komme, dass besondere Gefahren für den Betrieb sowie die Belegschaft bestünden. Der Vorfall rund um den Ausspruch des Hausverbots mache dies mehr als deutlich. Gleichzeitig hätten zahlreiche Protestaktionen rund um das Vorgehen der Arbeitgeberseite stattgefunden, die massive Unruhe in den Betrieb gebracht hätten. Ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet. Spätestens ab diesem Zeitpunkt fehle es an der Zuverlässigkeit, die gemäß § 7 LuftSiG erforderlich sei, um den Betrieb des Arbeitgebers betreten zu dürfen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 614 ff. der Akte sowie den Schriftsatz vom 25. August 2023 verwiesen.
Der Arbeitgeber beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Mai 2023 -13 BVGa 223/23 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Der Verfügungsanspruch folge aus § 78 S. 1 BetrVG. Es möge sein, dass der Arbeitgeber Strafanzeige ge...