Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnungen. Geltung des Schutzzwecks des § 78 S. 1 BetrVG für den Betriebsrat. Umfassende Bedeutung des Begriffs der Beeinträchtigung in § 78 S. 1 BetrVG
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Betriebsrat wird vom Schutz des § 78 S. 1 BetrVG umfasst. Der Begriff der Behinderung ist dabei umfassend zu verstehen.
2. Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen sind generell unzulässig (in Rechtsprechung und Literatur umstritten). Denn der Betriebsrat kann keine Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen, aber einen entsprechenden Unterlassungsanspruch geltend machen.
Normenkette
BetrVG §§ 78, 2 Abs. 1, § 23 Abs. 1; ZPO § 92 Abs. 1, § 253 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 22.02.2021; Aktenzeichen 2 BV 138/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 2021 – 2 BV 138/20 – abgeändert.
Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, es zu unterlassen die Betriebsratsarbeit dadurch zu erschweren oder zu behindern in dem sie von dem Betriebsrat unter Androhung von arbeitsrechtlichen Schritten verlangt es zu unterlassen ein Formular „Jahresurlaubsplanung“ zu verändern oder anzupassen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats.
Antragsteller ist der im Betrieb des Arbeitgebers (Beteiligte zu 2) gewählte Betriebsrat.
Der Betriebsrat änderte ein in seinen Unterlagen vorhandenes, vom Arbeitgeber erstelltes, Word-Dokument „Jahresurlaubsplanung“ ab, indem er das Urlaubsjahr von 2019 auf 2020 änderte und händigte es einer inzwischen gekündigten Mitarbeiterin aus. Insoweit wird auf die Anl. BR2 (Bl. 6 der Akte) verwiesen.
Mit E-Mail vom 4. März 2020 (Anl. BR3, Bl. 7 der Akte) teilte der Arbeitgeber, handelnd durch die Referentin Arbeitsrecht, dem Betriebsrat folgendes mit:
„Sehr geehrter Betriebsrat,
Wie bereits am 14.2.2020 mit Herrn A persönlich besprochen und wie ebenfalls nochmals im Beisein von Herrn B am 18.2.2020 angesprochen, hat sich herausgestellt, dass der Betriebsrat interne Firmenunterlagen verändert und diese weitergegeben hat. Konkret handelte es sich hierbei um Urlaubsanträge für das Jahr 2020, welche jedoch vom Betriebsrat noch mal abgeändert und angepasst wurden (der an die Mitarbeiterin weitergegeben Urlaubsantrag suggeriert für das Urlaubsjahr 2020 zu sein, stimmt aber nicht mit den von uns verwendeten Urlaubsanträgen für 2020 überein. Ein solches Vorgehen ist aus unterschiedlichen Gründen indiskutabel:
- Die Mitarbeiterin, an die die Unterlagen weitergegeben wurden, ist nach unserer Rechtsauffassung keine Mitarbeiterin der C mehr. Wir befinden uns hier zur Klärung in einem Gerichtsprozess.
- Es dürfen keine internen Firmenunterlagen vom Betriebsrat verändert oder angepasst werden.
- Das Schreiben suggeriert, dass wir der Mitarbeiterin das Schreiben haben zukommen lassen, was nicht stimmt.
- Der Betriebsrat hat aufgrund seiner Funktion und Position Informationen und Zugang zu Unterlagen, die er nicht ungeprüft, ungefiltert und ungefragt einfach weitergeben kann - in unserem Fall sogar an jemanden, dessen Arbeitsverhältnis strittig ist.
Herr B hat in unserem Gespräch am 18.2.2020 sogar geäußert, dass immer Unterlagen an Mitarbeiter ausgegeben werden, wenn der Betriebsrat hierum gebeten wird.
Sollten wir zukünftig noch mal ein solches Verhalten oder ein ähnliches Verhalten seitens des Betriebsrats mitbekommen, werden wir vor arbeitsrechtlichen Schritten nicht zurückschrecken.“
Mit seinem am 13. März 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz hat der Betriebsrat geltend gemacht, dem Arbeitgeber aufzugeben, es zu unterlassen, die Betriebsratsarbeit dadurch zu erschweren oder zu behindern, indem sie von dem Betriebsrat unter Androhung von arbeitsrechtlichen Schritten verlangt, es zu unterlassen, ein Formular „Jahresurlaubsplanung“ zu verändern oder anzupassen.
Der Arbeitgeber hat dagegen eingewendet, das vom Betriebsrat an eine bereits gekündigte Mitarbeiterin herausgegebene Formular „Jahresurlaubsplanung 2020“ weise als Aussteller die Beteiligte zu 2 aus und enthalte auch das Firmenlogo. Selbstredend sei der Betriebsrat nicht berechtigt, Formulare mit dem Firmenlogo des Arbeitgebers herauszugeben, schon gar nicht an eine aus Sicht des Arbeitgebers ehemalige Mitarbeiterin. Woraus eine Behinderung der Betriebsratstätigkeit resultieren solle, sei nicht im Ansatz ersichtlich.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 34, 35 der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen; wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl.36 der Akte) verwiesen.
Dieser Beschluss wurde der Vertreterin des Betriebsrats am 3. März 2021 zugestellt, die dagegen am 6. April 2021 (Dienstag nach Ostern) Besc...