Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des verfügungsklagenden Arbeitgebers auf Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen. Anspruch auf Unterlassung von Streikmaßnahmen wegen Eingriffe in den Gewerbebetrieb nur bei Rechtswidrigkeit der Streikmaßnahmen. Kein Verfügungsgrund bei nicht rechtswidriger Streikmaßnahme
Leitsatz (redaktionell)
1. Mangels eines dem Gericht vorliegenden formellen Streikbeschlusses ist für die Bestimmung des Streikziels auf sonstige Umstände, insbesondere die im Verfahren vorgelegten Schreiben der Verfügungsbeklagten an die Verfügungskläger, den Abstimmungszettel der Urabstimmung und den Streikaufruf abzustellen. 2. Es handelt sich nicht um einen rechtswidrigen Unterstützungsstreik. Das Zugpersonal streikt für die Durchsetzung eigener Tarifverträge in seinem Tarifgebiet. Soweit dieser Streik auch eine unterstützende Wirkung für die Arbeitnehmer in Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die nur in geringem Umfang bei der Verfügungsbeklagten organisiert sind, hat, macht dies den Arbeitskampf nicht zu einem rechtswidrigen Unterstützungsstreik.
Normenkette
BGB §§ 1004, 823; GG Art. 14
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 02.09.2021; Aktenzeichen 21 Ga 158/21) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerinnen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 02. September 2021 - 21 Ga 158/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in einem einstweiligen Verfügungsverfahren über die Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen.
Die Verfügungskläger zu 1-13 sind Unternehmen des A-Konzerns, gegen die sich die Streikforderungen der Verfügungsbeklagten, einer Gewerkschaft, aufgrund ihrer jeweiligen Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband MoVe richten.
Unter dem 5. März 2021 (Anl. AG5 der Schutzschrift, Bl. 9 ff. der Akte) teilte die Verfügungsbeklagte dem Arbeitgeberverband Move Ihre Forderungen zur Tarifrunde 2021 mit. Mit Schreiben vom 24. Mai 2021 (Anl. ASt 32, Anlageordner) informierte die Verfügungsbeklagte den Arbeitgeberverband Move wie folgt:
Die Einigungsvorschläge haben wir in 3 Teile aufgeteilt.
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Teil I beinhaltet materielle tarifliche Forderungen, die keiner Friedenspflicht unterliegen und für deren Durchsetzung die GDL Arbeitskämpfe führen kann.
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Teil II beinhaltet tarifliche Forderungen, die schuldrechtlicher oder nicht materieller Natur sind und die wir auf dem Verhandlungswege mit Ihnen umsetzen wollen.
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Teil III fasst Punkte zusammen, über die wir außerhalb von Tarifverhandlungen im Rahmen der Sozialpartnerschaft mit Ihnen verhandeln wollen. Diese Forderungen werden insbesondere nicht von uns im Rahmen von Arbeitskämpfen verfolgt werden. Sie spielten auch in den bisherigen Tarifverhandlungen keine über den nachrichtlichen Status hinausgehende Rolle.
II. Nicht materielle Inhalte
28. Anwendungspflicht der GDL-Tarifverträge auf GDL-Mitglieder unabhängig von § 4 aT-VG durch Angebot einer Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag (Forderung 55 vom 5. März 2021, s. a. Folgepunkt).
29. Abschluss des EFTV wie mit Forderungsschreiben vom 5. März 2021 gefordert.
30. Abschluss des BuRa-FWITV, BuRa-FZITV und BuRa-NetzTV sowie den mit diesen verknüpften Haustarifverträgen wie mit Forderungsschreiben vom 5. März 2021 und den von uns erstellten Tarifvertragsentwürfen gefordert.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2021 (Anl. ASt 35, Anlageband) teilte die Verfügungsbeklagte dem Arbeitgeberverband Move mit: ... Nur Verhandlungen können Ergebnisse erzeugen - und diese zu erzeugen war unser erklärter Wille. Dieser Überlegung folgt auch unsere Bereitschaft, den Teil II des Schreibens vom 24. Mai 2021 nicht weiter zu verfolgen.
Mit Schreiben vom 2. September 2021 (Bl. 80 ff. der Akte) teilte die Verfügungsbeklagte dem Arbeitgeberverband Move mit: ... Maßgeblich sind und bleiben unsere Einigungsvorschläge vom 24. Mai 2021. Um in Verhandlungen eintreten zu können, muss ein Angebot mindestens folgende Eckpunkte enthalten: (...)
Abschluss von Tarifverträgen für Arbeitnehmer, unter anderem in den Werkstätten, der direkten Verwaltung und bei B. Alle Tarifvertragsentwürfe dazu liegen Ihnen vor.
Im Anhörungstermin vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht legten die Verfügungskläger der Verfügungsbeklagten folgende Erklärung zur Unterzeichnung vor:
"Die Berufungsbeklagte erklärt hiermit, dass die unter Nr. 28 im Schreiben vom 24 Mai 2021 (diese Erklärung beigefügt) aufgeführte Forderung nach einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf die Tarifverträge der Berufungsbeklagten unabhängig von den Voraussetzungen des § 4 a Abs. 2 TVG nicht weiter als Streik- oder Tarifforderung in der laufenden Tarifrunde verfolgt wird.
Die Berufungsbeklagte erklärt ausdrücklich, dass eine Forderung betreffend eine bilaterale Abbedingung oder Umgehung des § 4a Abs. 2 TVG kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel oder anderweitiger tariflicher Regelung keine Bedingung des Tarifabschlusses in der laufenden Tarifrunde ist."
Der Vorsitzende der Verfügungsbeklagten erklärte hierzu ausweislich des Sitzungsprotokolls (B...