Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsunfähigkeitsrente als Beendigungstatbestand
Leitsatz (amtlich)
1. Angesichts der tariflichen Beendigungs-Automatik des § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT, die nicht nur den Schutz des Arbeitnehmers, sondern auch dem Interesse des Arbeitgebers an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für weitere Personalentscheidungen dient, kann das Risiko einer nachträglichen Aufhebung eines Erwerbsunfähigkeits-Dauerrentenbescheides bei gleichzeitiger rückwirkender Gewährung einer Erwerbsunfähigkeits-Zeitrente jedenfalls dann nicht dem Arbeitgeber auferlegt werden, wenn diese rückwirkende Ersetzung einer Erwerbsunfähigkeits-Dauerrente durch eine Erwerbsunfähigkeits-Zeitrente auf Betreiben des Arbeitnehmers erfolgt ist.
2.) Ob das auch bei offenkundiger Fehlerhaftigkeit des Erwerbsunfähigkeits-Dauerrentenbescheides oder bei dessen nachträglicher Aufhebung durch den Rentenversicherungsträger oder dann zu gelten hat, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgebbinnen eines Monats nach Zustellung mitteilt, daß er gegen den Erwerbsunfähigkeits-Dauerrentenbescheid sozialgerichtlich vorgehen werde bleibt unentschieden.
Normenkette
BGB § 620; BAT § 59
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Urteil vom 15.08.1990; Aktenzeichen 3 Ca 100/90) |
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird dasUrteil desArbeitsgerichts Gießen vom15.8.1990 – 3 Ca 100/90 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses als eines ruhenden über den 28. Februar 1989 hinaus.
Die Klägerin, der bereits für die Zeiten vom 01. November 1985 bis 31. Dezember 1987 und erneut bis zum 28. Februar 1989 Erwerbsunfähigkeits-(EU-) Rente auf Zeit von der B. …, bewilligt worden war, erhielt im Laufe des Monats Februar 1989 einen weiteren Rentenbescheid zugestellt, mit dem ihr Erwerbsunfähigkeits-Rente auf Dauer zugesprochen wurde. Diesen hat die Klägerin mit einer am 23. Februar 1989 beim S. G. eingegangenen und am 15./16. Juni 1989 begründeten Klage mit dem Ziel angegriffen, Erwerbsunfähigkeits-Rente nicht auf Dauer sondern (erneut) nur auf Zeit zu erhalten, da zumindest nach einer ärztlich-gutachterlichen Stellungnahme eine begründete Aussicht bestehe, daß das Leiden der Klägerin und damit ihre Erwerbsunfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein könne (Bl. 13 der beigezogenen Akte S. 4/An – 352/89 SozG Gießen).
Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin ferner mit am 13. März 1990 beim Arbeitsgericht G. eingegangener Klage die Feststellung eines über den 28. Februar 1989 hinaus ruhenden Arbeitsverhältnisses beantragt. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, durch die – im Sozialgerichtsverfahren vergleichsweise mit der B vereinbarte – Aufhebung des Erwerbsunfähigkeits-Dauerrentenbescheides und die Bewilligung einer weiteren Erwerbsunfähigkeits-Zeitrente bis zum 31. Oktober 1991 (Änderungsbescheid vom 12. Oktober 1989, Bl. 22 ff. BeiA) seien rückwirkend zum 28. Februar 1989 die Voraussetzungen einer tariflichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 BAT entfallen, sodaß das Arbeitsverhältnis als ruhendes fortbestehe.
Das beklagte Land hat um Klageabweisung gebeten und sich auf den Standpunkt gestellt, das Arbeitsverhältnis sei kraft vereinbarter Tarifwirkung ohne Rücksicht auf das spätere rechtliche Schicksal des BfA-Dauer-Erwerbsunfähigkeits-Rentenbescheides aufgelöst und könne auch nicht rückwirkend wieder aufleben. Inzwischen sei der Arbeitsplatz der Klägerin – unstreitig – wieder dauerhaft neu besetzt. Im übrigen komme es für das Ende des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Monats, in dem der Erwerbsunfähigkeits-Rentenbescheid zugestellt wird, auf die Rechts – bzw. Bestandskraft des Bescheides nicht an.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Wegen der hierfür gegebenen Begründung und zur Ergänzung des erstinstanzlich vorgetragenen Streitstoffs wird auf das angefochtene. Urteil (Bl. 57 bis 61 d. A.) Bezug genommen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt das beklagte Land sein auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter. Es hält die „ergebnisorientierte” Tarifauslegung des Erstgerichts für verfehlt. Es verweist auf die erstgerichtlich nicht ausreichend berücksichtigte, vom Landesarbeitsgericht H. (Urteil v. 13. Oktober 1980 – 6 Sa 178/79) (Bl. 22 ff, d. A.) eingeholte Tarifauskunft, wonach die Tarifvertragsparteien es im Tariftext zum Ausdruck gebracht hätten, wenn sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Rechts- (Bestands-) kraft eines Erwerbsunfähigkeits-Rentenbescheides hätten abhängig machen wollen.
Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil mit ergänzenden Rechtsausführungen. Sie meint, es könne der Arbeitnehmer nicht das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes wegen eines „fehlerhaften” Rentenbescheides tragen. Zudem hätte der für die Abschlußbegutachtung nach der letzten bei der Klägerin durchgeführten...