Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Vereinbarung über eine dividendenabhängige Tantieme
Leitsatz (amtlich)
Auf vertragliche Beziehungen einer Aktiengesellschaft zu Dritten, die von der Gewinnausschüttung der Gesellschaft abhängig sind, ist § 216 Abs. 3 AktG weder direkt noch analog anwendbar, wenn die Aktiengesellschaft eine effektive Kapitalerhöhung vornimmt.
Eine direkte Anwendung des § 216 Abs. 3 AktG kommt gesetzessystematisch nur auf Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln in Betracht. Eine analoge Anwendung auf effektive Kapitalerhöhungen scheidet mangels planwidriger Gesetzeslücke und vergleichbarer Interessenlage aus.
Eine ergänzende Auslegung derartiger Vereinbarungen gem. §§ 133, 157 BGB dahingehend, dass dem Dritten bei effektiven Kapitalerhöhungen unter Wert ein Verwässerungsausgleich zu zahlen ist, kommt nur in Betracht, wenn aus Sicht der Vertragsschließenden eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, wofür es angesichts der Häufigkeit von effektiven Kapitalerhöhungen klare Anhaltspunkte geben muss.
Eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB kommt zwar in Fällen in Betracht, in denen es aufgrund von effektiven Kapitalerhöhungen tatsächlich zu Dividendenkürzungen gekommen ist. Allerdings ist auch hier in aller Regel von deren Vorhersehbarkeit auszugehen.
Normenkette
AktG § 216 Abs. 3; BGB §§ 315, 313
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 08.12.2015; Aktenzeichen 8 Ca 441/15) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 8. Dezember 2015 - 8 Ca 441/15 - wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 8. Dezember 2015 - 8 Ca 441/15 - teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich weiterer 30.402,79 EUR brutto nebst Zinsen hieraus abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen, soweit der Berufung der Beklagten gegen die Verurteilung zur Zahlung von 23.172,62 EUR brutto nebst Zinsen seit dem I.Juni 2011 stattgegeben worden ist (Teil der dividendenabhängige Tantieme für 2010). Im Übrigen wird die Revision für keine der Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um verschiedene Vergütungsansprüche - eine Übergangstantieme in Höhe von 151.476,86 EUR brutto, eine "variable Tantieme" in Höhe von 15.000,00 EUR brutto für das Jahr 2010, einen Erhöhungsbetrag betreffend des Jahresgrundgehalt des Klägers im Jahr 2011 in Höhe von 1.190,00 EUR brutto und eine weitere "dividendenabhängige Tantieme" für das Jahr 2010 - aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Der Kläger war bei der Beklagten, einer in der Rechtsform der AG organisierten deutschen Großbank, vom 1. April 1963 bis zu seinem Eintritt in die Altersrente am 31. Mai 2011 beschäftigt.
Im Jahr 1999 verfügte die Beklagte über ein Aktienkapital in Höhe von 532.985.214 Aktien zu 5 DM. Anfang 2008 betrug die Aktienanzahl der Beklagten 542.118.850. In der Folgezeit kam es zu effektiven Kapitalerhöhungen gegen Einlagen, in deren Zug sich die Aktienzahl auf 929.499.640 zu 2,56 EUR erhöhte. Dies war der Stand zum Zeitpunkt der Hauptversammlung der Beklagten im Jahr 2011.
Die Parteien haben vor der erkennenden Kammer bereits unter dem Aktenzeichen 14 Sa 480/15 (erstinstanzliches Aktenzeichen: 21 Ca 174/14) einen Rechtsstreit geführt, der unter anderem einen möglichen Anspruch des Klägers auf eine variable Tantieme in Höhe von 15.000,00 EUR und auf eine "dividendenabhängige Tantieme" in Höhe von 50.000,00 EUR brutto zum Gegenstand hatte. Auf welche Kalenderjahre diese Forderungen bezogen waren, ist zwischen den Parteien streitig. Den Rechtsstreit 21 Ca 174/14 hat der Kläger durch einen Mahnbescheid vom 27. Dezember 2013 eingeleitet, der auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren war. Die Anlage zum Mahnbescheid lautete auszugsweise:
"Anspruch auf variable Tantieme/Sonderzahlung für 2010 15.000,00 EUR brutto
Anspruch auf restliche Tantieme für 2010 50.000,00 EUR brutto"
Im Kammertermin des arbeitsgerichtlichen Verfahrens 21 Ca 174/14 vom 6. November 2014 stellte der Kläger ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung, das Gegenstand der mündlichen Verhandlung auch im hiesigen Verfahren war, ausdrücklich klar, dass er im dortigen Verfahren die dividendenabhängige Tantieme für das Jahr 2009 geltend mache.
Die erkennende Kammer hat in dem diesbezüglichen Berufungsverfahren 14 Sa 480/15 am 18. März 2016 ein Urteil verkündet, in dem zum einen die vorausgegangene arbeitsgerichtliche Entscheidung vom 6. November 2014 ersatzlos aufgehoben wurde, soweit das Arbeitsgericht die Beklagte nach Auffassung der Kammer dort verurteilt hatte, an den Kläger für das Jahr 2010 eine variable Tantieme in Höhe von 15.000,00 EUR brutto zu zahlen, weil ein entsprechender Antrag des Klägers zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht gestellt war, sondern der Kläger zuletz...