Entscheidungsstichwort (Thema)
außerordentliche Kündigung. Abmahnung
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit zur Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nach §626 BGB wegen Verletzung von Verhaltenspflichten durch den Arbeitnehmer eine vorherige (vergebliche) Abmahnung erforderlich ist, müssen der abgemahnte und der zur Kündigung herangezogene Pflichtenverstoß gleichartig sein.
2. Gleichartig sind Pflichtverletzungen in diesem Sinne nicht nur dann, wenn es sich um identisches Fehlverhalten handelt, sondern bereits dann, wenn die Pflichtverletzungen unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zusammengefaßt werden können.
Das kann der Fall sein bei abgemahnter Verletzung der Anzeigepflicht bei Krankheit und späterer Weigerung des Arbeitnehmers, während der Arbeitszeit zu einem Gespräch mit dem Vorgesetzten zu erscheinen.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 30.10.1996; Aktenzeichen 3 Ca 556/96) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 30. Oktober 1996 – 3 Ca 556/96 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten dee Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Der am 16.07.1972 geborene, unverheiratete Kläger war seit dem 03.07.1995 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 30.06.1995 (Bl. 5 – 8 d. A.) bei der Beklagten, einem Zeit arbeitsunternehmen mit mehr als 5 Arbeitnehmern, das über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfügt und mehrere Niederlassungen in der Bundesrepublik Deutschland hat, als Elektrofachhelfer zu einem Bruttostundenlohn von mindestens 18,– DM beschäftigt. In der Zeit vom 09.01. bis 17.01.1996 war der Kläger arbeitsunfähig krank; entsprechende Bescheinigungen wurden der Beklagten vorgelegt. Nachdem der Kläger sich am 17.01.1996 nicht bei der Beklagten gemeldet, diese ihn für den Folgetag bei einer Arbeitsstelle eingeplant … und die Beklagte am 18.01.1996 festgestellt hatte, daß der Kläger nicht zur Arbeit erschienen war, nahm der Niederlassungsleiter der Wiesbadener Niederlassung mit dem Kläger telefonisch Kontakt auf. Der Kläger teilte mit, er sei noch bis Ende der Woche krank und werde am 22.01.1996 wieder zur Arbeit erscheinen. In diesem Telefongespräch machte der Niederlassungsleiter dem Kläger u. a. Vorhaltungen, weil er sich nicht am Vortag gemeldet hatte. Am 19.01.1996 gab der Kläger im Niederlassungsbüro Wiesbaden eine Krankmeldung für den 18.01.1996 ab. Nachdem der Kläger sodann Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vom 23.01. bis 02.02.1996 eingereicht hatte, ab 05.02.1996 wieder arbeitsunfähig war, die Beklagte aber keine Einsatzmöglichkeiten für den Kläger hatte, vereinbarten der Kläger und der Wiesbadener Niederlassungsleiter der Beklagten, der Zeuge …, daß der Kläger sich bis auf weiteres täglich morgens und abends im Niederlassungsbüro telefonisch melden sollte. In Telefonaten am 06.02., 07.02. und 08.02.1996 morgens wurde zwischen dem Niederlassungsleiter und dem Kläger ein Besprechungstermin für den 08.02.1996, 15.30 Uhr, in der Niederlassung festgesetzt. Der Kläger sagte sein Erscheinen jeweils zu. Am 08.02.1996 um 15.30 Uhr erschien der Kläger nicht. Er teilte statt dessen telefonisch mit, er werde nicht kommen. Noch am gleichen Tag kündigte der Niederlassungsleiter der Beklagten namens der Beklagten mit Schreiben vom 08.02.1996 – per Boten am gleichen Tage zugestellt – das Arbeitsverhältnis zum Kläger fristlos wegen des Nichterscheinens zum Termin und deshalb, weil der Kläger am 19.01.1996 unentschuldigt gefehlt habe.
Mit seiner am 27.02.1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger, der am 15.01.1996 eine noch beim Arbeitsgericht rechtshängige Vergütungsklage (Az.: 3 Ca 61/96 Arbeitsgericht Wiesbaden) anhängig gemacht und der mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 12.02.1994 die Kündigung wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen hatte, gegen diese Kündigung.
Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil sie nicht von einem Befugten unterzeichnet worden sei. Zudem fehle es an einem wichtigen Grund.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 08.02.1996 nicht mit Ablauf des 08.02.1996 geendet hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, ihr Niederiassungsleiter sei zur Kündigung befugt gewesen. Die Kündigungsbefugnis sei dem Kläger auch bekannt gewesen, weil er mit dessen Vorgänger den schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen habe. Die Kündigung sei wegen Arbeitsverweigerung berechtigt. Kurz nach seiner Einstellung sei der Kläger bereits zweimal wegen Nichteinhaltung der vertraglichen Arbeitszeit ermahnt worden. In dem Telefongespräch am 18.01.1996 sei er vom Niederlassungsleiter abgemahnt worden. Ihm sei erklärt worden, daß er arbeitsvertraglich verpflichtet sei, seine Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig zu melden. Für...