Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierung von Frauen bei Einstellung
Leitsatz (amtlich)
1. Vertrauensschaden (Bewerbungskosten) gemäß § 611 a Abs. 2 Satz 1 BGB ist bereits dann zu ersetzen, wenn ein(e) Bewerber(in) wegen ihres Geschlechts nicht in die engere Wahl genommen worden ist.
2. Hat der Arbeitgeber ausdrücklich Gründe für die Ablehnung einer Einstellung angegeben, ist die Prüfung, ob ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 611 a Abs. 1 BGB vorliegt, auf diese Gründe beschränkt.
3. Zum Anspruch auf Auskunft über die Höhe der entgangenen Bruttomonatsbezüge als Grundlage für Schadensersatzansprüche, die über den reinen Vertrauensschaden hinausgehen.
Normenkette
BGB §§ 611a, 242
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Teilurteil vom 28.04.1987; Aktenzeichen 4 Ca 439/86) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach/M. vom 28.04.1987 – 4 Ca 439/86 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld.
Die Beklagte hatte im Mai 1986 eine Stelle des „Assistente del Direttore” ausgeschrieben. Die entsprechende Zeitungsanzeige erschien am 10.05.1986 in der „…”; für den Wortlaut der Anzeige wird Bezug genommen auf die zu den Gerichtsakten gereichte Fotokopie (Bl. 7 d.A.) und auf die gleichfalls zu den Gerichtsakten gereichte Übersetzung (Bl. 23 d.A.).
Noch im Mai – unter dem 17.05.1986 – bewarb sich die Klägerin bei der Beklagten schriftlich um diese ausgeschriebene Stelle.
Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 11.06.1986 abschlägig wie folgt:
„Sehr geehrte Frau …, für Ihre ausführliche Bewerbung auf unsere Ausschreibung als Assistentin der Geschäftsführung danken wir Ihnen.” Bitte haben Sie Verständnis dafür, wenn wir es vorziehen, diese Position von einem Herren zu besetzen. Sie haben eine sehr gute Qualifikation. Wir haben jedoch einen männlichen Bewerber gefunden, der unseres Erachtens alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt, die zur Besetzung dieser wichtigen Position notwendig sind.
Die uns übermittelten Unterlagen erhalten Sie als Anlage wieder zurück.
Mit freundlichen Grüßen
gez. …”
Die jetzige Prozeßbevollmächtigte der Klägerin schrieb darauf unter dem 04.07.1986 an die Beklagte; dieser Brief wurde mit Schreiben der jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 21.07.1986 beantwortet. Für den Wortlaut der beiden Schreiben wird Bezug genommen auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Fotokopien (Bl. 9 und 10 d.A.).
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zum einen verpflichtet, ihr Schadensersatz in Höhe von 3,01 DM zu leisten: Sie habe diesen Betrag – er ist der Höhe nach unstreitig – für die Bewerbung auf gewandt in der enttäuschten Hoffnung, daß ihre Bewerbung nicht unter Verstoß gegen § 611 a BGB abgelehnt werde. Zum anderen sei die Beklagte verpflichtet, ihr Schmerzensgeld zu zahlen. Denn die Beklagte habe ihre – der Klägerin – Bewerbung ausschließlich wegen ihres Geschlechts abgelehnt, und diese Diskriminierung und Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führe zu einem Schmerzensgeldanspruch. Der Schmerzensgeldanspruch sei in Höhe von mindestens 6 Monatsgehältern gegeben, und hinsichtlich der Höhe des Monatsgehaltes sei die Beklagte zur Auskunft verpflichtet.
Die Klägerin hat dementsprechend im ersten Rechtszug (im Wege der Stufenklage) beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
- der Klägerin Auskunft über die Höhe des jahresdurchschnittlichen monatlichen Bruttogehalts ihres Assistenten der Geschäftsleitung zu erteilen, der nunmehr jene, am 10.05.1986 in der … ausgeschriebene, Arbeitsstelle bekleidet, um die sich die Klägerin ihrerseits beworben hatte,
- erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern.
- Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das billige Ermessen des Gerichts gestellt wird, wobei mindestens sechs jahresdurchschnittliche Brutto-Monatsgehälter als angemessen angesehen werden, nebst 4 % Zinsen seit dem 22.07.1986 zu zahlen.
- Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Hohe von 3,01 DM nebst 4 % Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat demgegenüber beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat im ersten Rechtszug vorgetragen, sie habe bei der Auswahl der Kandidaten für den Assistentenposten keine Unterschiede bezüglich des Geschlechts gemacht. Es hätten sich seinerzeit neben der Klägerin 14 Männer beworben, und man habe sich für Herrn … entschieden, der auch im Vergleich zur Klägerin die höchste Qualifikation auf gewiesen habe; Herr … verfüge über einschlägige praktische Erfahrungen und überdies über Englischkenntnisse, also über Zusatzqualifikationen, die die Klägerin nicht aufzuweisen habe. Zu der Formulierung des – Absageschreibens sei es gekommen, als man festgestellt habe, daß der ansonsten ver...