Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiswert eines zwei unterschiedliche Eingangsstempel aufweisenden Empfangsbekenntnis. Rechte des Arbeitgebers im Annahmeverzuges
Leitsatz (amtlich)
1. Der Beweiswert eines Empfangsbekenntnisses ist erschüttert, wenn es zwei unterschiedliche Eingangsstempel aufweist. Es ist sodann im Freibeweisverfahren zu klären, wann das Urteil bei dem Prozessbevollmächtigten tatsächlich eingegangen ist.
2. Der Arbeitgeber kann im Rahmen eines Annahmeverzugsprozesses nach § 74c Abs. 2 HGB einen Anspruch auf Auskunftserteilung gegenüber dem Arbeitnehmer haben, wenn er darlegt oder dies unstreitig ist, dass der Arbeitnehmer im fraglichen Zeitraum bei einem anderen Arbeitgeber gearbeitet hat. Der Auskunftsanspruch bezieht sich aber nicht auf die Frage eines böswilligen Unterlassens nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 KSchG.
Normenkette
BGB §§ 615, 296; KSchG § 11 S. 1 Nr. 2; HGB § 74c Abs. 2; ZPO § 174 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 30.10.2017; Aktenzeichen 10 Ca 193/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 30. Oktober 2017 - 10 Ca 193/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Annahmeverzugslohn nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage.
Die am xx.xx.1982 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 9. Mai 2011 als Fachberaterin bzw. Verkäuferin angestellt. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug zuletzt 2.423 Euro brutto.
Die Beklagte, bei der regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden, betreibt einen Einzelhandel insbesondere für Elektrowarenartikel.
Mit Schreiben vom 28. August 2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2015. Die Beklagte sprach mit Schreiben vom 28. September 2015 eine weitere, diesmal fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Gegen beide Kündigungen erhob die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Offenbach a.M. Kündigungsschutzklage. Mit Urteil vom 27. April 2016 - 10 Ca 305/15 - gab das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage statt. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein. Das Hessische Landesarbeitsgericht wies mit Urteil vom 20. Januar 2017 - 10 Sa 672/16 - das Rechtsmittel rechtskräftig zurück.
Ab dem 1. September 2015 erbrachte die Beklagte an die Klägerin keinerlei Zahlungen mehr. Seit dem 1. Oktober 2015 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld.
Mit bei dem Arbeitsgericht am 6. Juli 2016 eingegangener Klageschrift hat die Klägerin Annahmeverzugsansprüche für den Zeitraum von September 2015 bis Juni 2016 geltend gemacht. Mit Schreiben vom 30. September 2016 hat sie die Anträge auf den Zeitraum Juli und August 2016 erweitert (Bl. 38 der Akte).
Im Oktober 2016 wurde die Klägerin Mutter eines Sohnes.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass sie Anspruch auf den Annahmeverzugslohn nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess habe. Sie müsse sich nicht einen Zwischenverdienst wegen böswilligen Unterlassens anrechnen lassen. Hätte sie sich nicht um die von der Bundesagentur übersandten Bewerbungsangebote bemüht, hätte die Bundesagentur das Arbeitslosengeld zunächst gekürzt und letztendlich gestrichen. Beides sei nicht der Fall. Es werde bestritten, dass sie vorsätzlich ohne ausreichenden Grund Arbeit abgelehnt oder vorsätzlich verhindert haben. Die im Wege der Widerklage geltend gemachten Auskunftsansprüche seien unzulässig bzw. unbegründet. Ein Auskunftsrecht würde sich jedenfalls nicht darauf erstrecken, die Gründe für die Stellenablehnung mitteilen zu müssen. Erst recht habe die Beklagte keinen Anspruch, dass die Klägerin eine eidesstattliche Versicherung abgebe. Nicht ausreichend sei, wenn die Beklagte pauschal auf einen Link der Bundesagentur verweise. Der Sachvortrag der Beklagten sei aus ihrer Sicht nicht einlassungsfähig. Sie habe bis heute von der Beklagten kein für ernsthafte Bewerbungen taugliches Zwischenzeugnis erhalten. Das bislang erteilte Zeugnis entspreche unzutreffend der Note vier.
Wegen der in ersten Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts, Bl. 225 - 227 der Akte.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin habe böswillig unterlassen, einer anderweitigen Beschäftigung nachzugehen. Hierfür würden als Faktoren das junge Alter der Klägerin sowie ihre Berufsausbildung sprechen, ferner die lange Zeitdauer der angeblichen Arbeitslosigkeit sowie die sehr guten Bewerbungschancen auf dem Arbeitsmarkt im Rhein-Main-Gebiet. Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon zwischen 40 und 50 Aufforderungen zu Bewerbungen von der Bundesagentur erhalten. Sie beantrage, die Akte der Bundesagentur beizuziehen. Es seien insgesamt 1.509 offene Stellen bei der Bundesagentur ausgeschrieben. Mit Schriftsatz vom 23. August 2017 wurde die Behauptung aufgestellt, mit Stand vom 22. August 2017 seien 2.708 Stellen offen, auf die sich die Klägerin ...