Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Kapitäns auf Reduzierung der jährlichen Arbeitszeit für das beklagte Luftfahrtunternehmen als Flugzeugführer

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch wenn eine tarifliche Vorschrift keine starre Jahresarbeitszeit regelt, ist es zulässig, Teilzeitbeschäftigungen prozentual zu bestimmen, indem für eine 100 % Beschäftigung 365 mögliche Arbeitstage zugrunde gelegt werden. Der Arbeitgeber ist gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG zur Zustimmung der Arbeitszeitverringerung verpflichtet, wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Ein betrieblicher Grund ist anzunehmen, soweit die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Organisation, des Arbeitsablaufs oder der Betriebssicherheit führt bzw. unverhältnismäßige Kosten produziert.

 

Normenkette

TzBfG § 8; BGB § 311a Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 08.09.2022; Aktenzeichen 1 Ca 7347/21)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 8. September 2022, Az. 1 Ca 7347/21, abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, einer Reduzierung der jährlichen Arbeitszeit des Klägers gemäß Teilzeitantrag vom 5. August 2021 mit einer um 5,75 % auf 94,25 % (bezogen auf 365 Tage) reduzierten Vollarbeitszeit durch Freistellung an den Tagen

Pfingstmontag bis zum ersten darauffolgenden Freitag (5 Tage)

1. August (1 Tag)

30. August bis 7. September (9 Tage)

28. November (1 Tag)

24. bis 26. Dezember (3 Tage)

31. Dezember bis 1. Januar (2 Tage)

eines jeden Jahres ab dem 1. Dezember 2021 zuzustimmen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Reduzierung der jährlichen Arbeitszeit des seit dem 1. März 2001 für das beklagte Luftfahrtunternehmen als Flugzeugführer, derzeit als Kapitän (CP) auf dem Flugzeugmuster A320 mit Stationierungsort München, beschäftigten Klägers.

Mit Schreiben vom 5. August 2021 beantragte er bei der Beklagten die Verringerung und Neuverteilung seiner Arbeitszeit beginnend ab dem 1. Dezember 2021 (Anlage K2). Diese lehnte das Teilzeitbegehren mit einem Schreiben vom 29. Oktober 2021 ab (Anlage K3).

Die Ehefrau des Klägers ist bei der Beklagten als Flugbegleiterin tätig. Die Beklagte gewährte dem Kläger, der zwei minderjährige Kinder hat, im Jahr 2022 den in der Anlage K17 aufgeführten Urlaub (Bl. 244 d.A). Der Kläger erhielt in den letzten 21 Jahren stets Urlaub bzw. OFF-Tage im Zeitraum vom 24. Dezember bis 26. Dezember.

Der Kläger hat behauptet, er benötige die Teilzeit zur Betreuung seiner sieben- und achtjährigen Kinder und seines 80-jährigen Vaters.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, einer Reduzierung seiner jährlichen Arbeitszeit gemäß Teilzeitantrag vom 5. August 2021 mit einer um 5,75 % auf 94,25 % (bezogen auf 365 Tage) reduzierten Vollarbeitszeit durch Freistellung an den Tagen

Pfingstmontag bis zum 1. darauffolgenden Freitag (5 Tage)

1. August (1 Tag)

30. August bis 7. September (9 Tage)

28. November (1 Tag)

24. bis 26. Dezember (3 Tage)

31. Dezember bis 1. Januar (2 Tage)

eines jeden Jahres ab dem 1. Dezember 2021 zuzustimmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, dem Teilzeitbegehren des Klägers stünden betriebliche Gründe entgegen. Es existiere ein betriebliches Gesamtorganisationskonzept, bestehend aus einer jährlichen betrieblichen Vergaberichtlinie (Merkblatt Teilzeit für das Kalenderjahr 2022, im Folgenden: "Merkblatt Teilzeit", Anlage B2), der Betriebsvereinbarung OFF-Tage-Requestverfahren (Anlage B4), der BV Grundsätze zur Urlaubsvergabe (Anlage B5) und der durch sie festgelegten Sperrzeiträume für die betrieblichen Blockzeitmodelle (Anlage B9). Dieses ineinandergreifende Konzept bezwecke eine gerechte und gleichmäßige Verteilung unbeliebter Dienste als auch besonders beliebter Freizeitzeiträume. Es diene zudem der Sicherung der Bereederung der Flotte.

Die Sperrzeiträume für die betrieblichen Blockzeitmodelle, die sie jährlich neu festlege, orientierten sich regelmäßig an den hessischen Schulferien (für in Frankfurt stationiertes Personal) und an den Schulferien für München (für in München stationiertes Personal, hier: 22. Juli bis 13. September 2022).

Der Kläger begehre mit der vorliegenden Klage eine Reduzierung auf 94,25% an zeitlich fixierten Tagen, somit eine Teilzeit, welche ihr Organisationskonzept so grundsätzlich nicht vorsehe. Es würden hiermit letztlich Urlaubsansprüche generiert, die nach einem mit dem Betriebspartner abgestimmten Verfahren vergeben würden und die der Kläger nicht gesichert erhalten würde. Er verbrauche durch die begehrte Teilzeit auch seinen "Urlaubserstwunsc h" nicht.

In den Monaten August und September - in denen auch ein Teil der mit der Klage verfolgten freien Tage liege - gelte der normalerweise ohnehin umfangreichere Sommerflugplan aufgrund der Sommerferien, der mit einer erhöhten Urlaubsnachfrage in den Sommermonaten aufeinandertreffe. Dies - ein erhöhtes Flugau...

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