Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlungsansprüche eines Arbeitnehmers auf Vergütung, Urlaubsabgeltung und Verzugspauschale
Leitsatz (redaktionell)
Ein Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub aus einem Bezugszeitraum, in dessen Verlauf der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1, 3 BurlG grundsätzlich auch nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten nur dann erlöschen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auszuüben. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich die Initiative zu ergreifen, damit der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch gemäß § 7 Abs. 1 BUrlG verwirklicht.Hinsichtlich der Anforderungen an den Inhalt der Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers gilt, dass diese sich auf einen "konkret" bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres beziehen und den Anforderungen an eine "völlige Transparenz" genügen muss. Abstrakte Angaben etwa im Arbeitsvertrag, in einem Merkblatt oder in einer Kollektivvereinbarung werden den Anforderungen einer konkreten und transparenten Unterrichtung hingegen in der Regel nicht genügen.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 12.10.2022; Aktenzeichen 3 Ca 72/22) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2022 - 3 Ca 72/22 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 942,72 € brutto nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2022 zu zahlen.
In Höhe von 99,87 € wird die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen, im Übrigen wird sie zurückgewiesen.
Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 12 % und die Beklagte 88 % zu tragen. Von den Kosten der Berufung hat die Klägerin 18,5 % und die Beklagte 81,5 % zu tragen.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen, soweit sie zu einer über 848,64 € brutto hinausgehenden Zahlung verurteilt worden ist. Im Übrigen wird die Revision für keine der Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich noch um Zahlungsansprüche der Klägerin wegen Vergütung, Urlaubsabgeltung und Verzugspauschale.
Die Klägerin war bei der Beklagten vom 1. Dezember 2012 bis zum 31. Mai 2022 beschäftigt. Sie hatte einen jährlichen Urlaubsanspruch von 26 Tagen. Vom 8. Dezember 2018 bis zum 30. September 2019 war sie arbeitsunfähig erkrankt und befindet sich seit dem 1. Oktober 2019 in voller Erwerbsminderungsrente.
Unter dem 13. Oktober 2015 (Bl. 189 der Akte) teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr stünden für das Jahr 2015 noch 7,5 Urlaubstage zu, die sie bis spätestens zum 31. März 2016 nehmen müsse, da der Anspruch sonst ersatzlos erlösche. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 189 der Akte Bezug genommen.
Bei einer Mitarbeiterbesprechung vom 30. August 2018 wies die Beklagte darauf hin, dass alle Urlaubsanträge für die Jahresplanung 2019 bis zum 30. November 2018 abzugeben seien und dass Urlaub aus dem Jahr 2018 bis zum 31. März 2019 aufgebraucht werden müsse. Wegen der Einzelheiten des Protokolls der Mitarbeiterbesprechung wird auf Bl. 119 der Akte Bezug genommen.
Am 31. August 2018 reichte die Klägerin einen Urlaubsantrag (Bl. 117 der Akte) ein, mit dem sie Urlaubsgewährung für die Zeit vom 14. Januar 2019 bis zum 25. Januar 2019 beantragte, wobei es sich hierbei um Urlaub aus dem Jahr 2018 handelte. Der Urlaub wurde von ihrem Vorgesetzten unter dem 1. November 2018 bewilligt.
Unter dem 31. Dezember 2018 erstellte die Beklagte für die Klägerin eine Urlaubsübersicht über den Resturlaub für das Jahr 2018, aus der sich ein restlicher Urlaubsanspruch von 16 Arbeitstagen ergab. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 118 der Akte Bezug genommen.
Ausweislich der von der Beklagten erstellten und zur Akte gereichten Dokumentation (Bl. 11 der Akte) wies der Stand des Arbeitszeitkontos der Klägerin am 31. Dezember 2018 ein Plus von 158,59 Stunden aus, weil sich hiernach der Stand des Vormonats von 162,01 Stunden im Dezember 2018 um 3,42 Minusstunden reduziert hatte. Bei 96 Krankenstunden und 30,58 Arbeitsstunden waren der Klägerin 130 Stunden ausgezahlt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 11 der Akten Bezug genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich Urlaubsabgeltung für die Jahre 2018 - 2022 sowie Überstundenvergütung und eine Verzugspauschale gefordert.
Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens im Einzelnen, ihrer Anträge, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat die Klage mit Urteil vom 12. Oktober 2022 hinsichtlich der Urlaubsabgeltung für die Jahre 2018 und 2019, hinsichtlich eines Teils der Überstundenvergütung und hinsichtlich der Verzugspauschale abgewiesen. Es hat...