Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall in einer Tierklinik. Haftungsbeschränkung. Fahrlässigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Arbeitsunfall steht § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII einer Haftung des Arbeitgebers für fahrlässiges Handeln entgegen.
2. Von nur fahrlässigem Handeln und nicht von bedingtem Vorsatz des Arbeitgebers ist auszugehen, wenn in einer Tierklinik eine Angestellte von einem renitenten Kater gebissen wird.
Normenkette
SGB VII § 104 Abs. 1 S. 1; BGB § 276
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.09.2008; Aktenzeichen 16 Ca 517/08) |
Nachgehend
BAG (Beschluss vom 17.12.2009; Aktenzeichen 8 AZN 884/09) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. September 2008 – 16 Ca 517/08 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung eines Schmerzensgeldes und die Feststellung, dass die Beklagten auch zukünftig zu Schadensersatz- und Schmerzensgeldzahlungen verpflichtet sind, die aus einem Unfall in der Tierarztklinik des Beklagten zu 1) am 05. August 2006 herrühren.
Dort war die am 21. März 1990 geborene Klägerin als Hilfstierpflegerin von einem Kater, der untersucht und kastriert werden sollte, in die linke Hand gebissen worden. Eine Infektion verkomplizierte die Verletzung. Der Klägerin wurde deshalb am 27. März 2007 eine Prothese des linken Mittelfingergrundgelenks eingesetzt. Die Klägerin leidet heute noch erheblich unter den Folgen der Bissverletzung. Wegen des weiteren streitigen und unstreitigen Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug einschließlich der dort gestellten Anträge wird zur Vermeidung und Wiederholungen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen (Bl. 104 – Bl. 107 d. A.).
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 16. September 2008 abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, es habe sich um einen Arbeitsunfall gehandelt, bei dem eine persönliche Haftung der Beklagten zu 2) als Urlaubsvertretung des Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 1) nur in Fällen vorsätzlichen Handelns infrage komme. Den Beklagten zu 1) und 2) sei aber kein Schädigungsvorsatz nachzuweisen. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 104 – Bl. 110 d. A.).
Gegen dieses der Klägerin am 05. November 2008 zugestellte Urteil hat diese mit einem am 05. Dezember 2008 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05. Februar 2009 mit einem am 05. Februar 2009 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Ansicht, die Beklagten hätten den Katzenbiss am 05. August 2006 einschließlich der sich daraus ergebenden Verletzungsfolgen billigend in Kauf genommen. Jeder Tierarzt müsse wissen, dass Katzen bei tierärztlicher Behandlung renitent reagieren können und deshalb entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen sind (Schutzhandschuhe, Quetschkasten).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. September 2008 – 16 Ca 517/08 – abzuändern und,
- die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen, welches einen Betrag 50.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte;
- festzustellen, dass die Beklagten ihr sämtlichen Schaden und zukünftiges Schmerzensgeld zu ersetzen bzw. zu zahlen haben, die ihr aus dem Unfall vom 05. August 2006 in der Tierarztklinik des Beklagten zu 1) zustehen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil und sind weiter der Ansicht, ein Vorsatz, auch in Form des bedingten Vorsatzes, habe bei dem Unfall vom 05. August 2006 nicht vorgelegen. Sie hätten gerade nicht billigend in Kauf genommen, dass die Klägerin von dem renitenten Kater gebissen würde und die sich ergebenden Verletzungsfolgen erdulden müsse.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 14. Juli 2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 8 Abs. 2 ArbGG; 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 ArbGG) keinen Bedenken. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG; 517, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.
In der Sache ist die Berufung erfolglos.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Der Klägerin steht weder ein Schmerzensgeld, noch die begehrte Feststellung des Ersatzes zukünftigen Schadens bzw. die Zahlung weiteren Schmerzensgeldes zu. Ihrem Begehren steht § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB V...