Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung. Schadensersatz. Arbeitsunfall. Haftungsprivilegierung
Leitsatz (amtlich)
Eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 SGB VII setzt betriebliche Tätigkeiten von Versicherten mehrerer Unternehmen voraus, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind und sich ergänzen (vgl. BGH NJW 2001, 135). Die Vorschrift setzt nicht voraus, dass sich der Arbeitsunfall bei einer gemeinsamen oder zeitgleichen betrieblichen Tätigkeiten der Versicherten ereignet.
Die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles im Sinne der §§ 104, 105 SGB VII schließt den Gesundheitsschaden ein. Allein eine vorsätzliche Pflichtverletzung reich nicht aus.
Normenkette
SGB VII §§ 104-106
Verfahrensgang
ArbG Hanau (Entscheidung vom 12.10.2000; Aktenzeichen 3 Ca 452/99) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 12. Oktober 2000 – 3 Ca 452/99 – wird auf seine Kost zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte ist Arbeitnehmer der R. M. GmbH & Co KG Spedition und Lagerung in G., Streithelferin auf Beklagtenseite. Der Kläger ist Arbeitnehmer der Firma B.H. G. M. GmbH in B. O.
Die Arbeitgeber der Parteien stehen in Geschäftsbeziehungen zueinander. Am 20. Mai 1998 erwartete die Arbeitgeberin des Klägers einen Maschinentransport, der von der Streithelferin als Spediteurin durchgeführt wurde. Die seitens der B. H. G. M. GmbH erwartete Druckmaschine sollte auf dem Betriebsgelände der Streithelferin ab- und umgeladen werden.
Der Kläger hatte von seiner Arbeitgeberin den Auftrag, den eintreffenden Maschinentransport und die Maschinenentladung zu überwachen und für seine Arbeitgeberin zu koordinieren. Daran hat diese aus haftungs- und gewährleistungsrechtlichen Gründen ein erhebliches Interesse. Sofern erforderlich, sollte er der Streithelferin Spezialwerkzeuge zur Verfügung stellen. Der Kläger ist seit vier Jahren bei der B. H. G. M. GmbH beschäftigt hat das Firmengelände der Streithelferin bis zu dem Unfall vier- bis fünf Mal im Monat für derartige Tätigkeiten aufgesucht. Er erschien auch am 20. Mai 1998 auf dem Betriebsgelände der Streithelferin.
Der Beklagte war als Staplerfahrer auf dem Betriebsgelände der Streithelferin tätig. Er lud mit dem Stapler Palettenkörbe mit leeren Gasflaschen auf einen Lkw. Bevor es zu einer Überwachung des Maschinentransports und insbesondere der Maschinenentladung kam, verunfallte der Kläger auf dem Betriebsgelände der Firma M. GmbH & Co KG. Der Beklagte fuhr mit dem Gabelstapler rückwärts und erfasste dabei den Kläger mit dem Gabelstapler. Dabei wurde der Kläger an beiden Beinen und Füßen erheblich verletzt. Auf den ärztlichen Bericht vom 10. Dez. 1998 wird Bezug genommen (Bl. 11 ff. d. A.). Der Unfall wurde der zuständigen Berufsgenossenschaft gemeldet. Von dieser hat der Kläger wegen des Unfalls Versicherungsleistungen erhalten.
Das gegen den Beklagten eingeleitete Strafverfahren wurde gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO eingestellt. Auf den Strafaktenauszug wird Bezug genommen (Bl. 183 ff. d.A.)
Der Kläger hat mit der Klage gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche in Höhe von 9.071,70 DM geltend gemacht. Die Forderung setzt sich zusammen aus einem Betrag in Höhe von DM 60 für ein Attest, DM 890,20 für eine Brille samt Brillenetui, DM 798 für eine Uhr, DM 199 für eine Hose, DM 79 für ein Hemd, DM 249,90 für ein Paar Schuhe sowie DM 795,60 für Fahrtkosten der Ehefrau des Klägers für dessen Betreuung im Krankenhaus. Diese Ansprüche sind von der Ehefrau des Klägers an den Kläger abgetreten worden. Ferner hat der Kläger nach Abtretung der Ansprüche durch seine Ehefrau Kosten in Höhe von DM 6.000 geltend gemacht für eine Ersatzkraft in der Boutique der Ehefrau während der Betreuungszeiten.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe bei seiner Fahrt mit dem Gabelstapler die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet. Die weitere Entwicklung des Krankheits- und Heilungsverlaufs, insbesondere die Dauer der anhaltenden krankengymnastischen Behandlung und die Auswirkungen auf seine berufliche Zukunft ließen sich noch nicht absehen. Er werde keinen Arbeitsplatz mehr finden. Die geltend gemachten Schäden seien durch den Unfall verursacht worden.
Der Kläger hat beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn DM 9.071,70 nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 19. September 1998 zu zahlen,
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Mai 1998 zu zahlen,
- festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 20. Mai 1999 auf dem Betriebsgelände der Fa. R. M. GmbH & Co KG Spedition und Lagerung, A. G. in G. zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung gewesen, ...