Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachwirkung einer gekündigten Betriebsvereinbarung. Einzelfall:. Entscheidung über Prämienanspruch nach Zurückverweisung durch Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Juni 2009 – 1 AZR 214/08
Leitsatz (redaktionell)
Rechte aus einer normativ wirkenden Betriebsvereinbarung können nur dann abgelöst werden, wenn eine neue, formwirksame Betriebsvereinbarung zur Ablösung durch die Betriebsparteien geschlossen wird.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 77 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Limburg vom 09. November 2006 – 2 Ca 340/06 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht in Sachen 1 AZR 214/08 zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine in der Vergangenheit aufgrund einer Betriebsvereinbarung gezahlte Prämie.
Die Beklagte stellt in ihren Betrieben in A mit ca. 135 Arbeitnehmern sowie in B mit ca. 95 Arbeitnehmern Wellpappe her. Für beide Betriebe sind Betriebsräte errichtet, die einen Gesamtbetriebsrat gebildet haben.
Der Kläger ist seit dem 01. Dezember 1979 als Maschinenarbeiter im Betrieb B beschäftigt. Die letzte maßgebliche arbeitsvertragliche Vereinbarung, der Änderungsvertrag vom 24. März 1997, sieht in Nr. 4 vor:
„Für die neue Tätigkeit erhält Herr R. M. den Lohn der Lohngruppe I, z.Zt. 20,58 DM, plus die für den Versandbereich zu zahlende Prämie.”
Die Beklagte wendet auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer die Tarifverträge der Papier erzeugenden Industrie an. Sie war und ist Mitglied im Arbeitgeberverband der Papier erzeugenden Industrie von C. Dieser gehört zur Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie (VAP). Der von ihm und den anderen Arbeitgeberverbänden geschlossene Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Papierindustrie in der Bundesrepublik einschließlich Berlin enthielt und enthält in seiner jeweils gültigen Fassung mindestens seit dem Jahre 1975 in § 17 unter der Überschrift „Leistungslohn” u.a. Regelungen zur Prämienvergütung. Diese ermöglichen Betriebsvereinbarungen über die Prämienbedingungen und die Prämiensätze sowie die Abgrenzung des an den Prämiensystemen zu beteiligenden Personenkreises.
Am 16. Dezember 1975 wurde „zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat der Firma D” eine „Betriebsvereinbarung zur Leistungsentlohnung” (Betriebsvereinbarung 1975) geschlossen. Unterzeichnet ist sie von der „Geschäftsleitung” und dem „Betriebsrat”. Nach ihrem Einleitungssatz „umfasst” sie „die Bereiche Papierfabrik, Wellpappenwerk, Papierverarbeitung und das Wellpappenwerk N.”. Hinsichtlich der Prämienhöhe enthält die Betriebsvereinbarung 1975 im Abschnitt A unter VI folgende Regelung:
„5. Prämienhöhe
- Die Höhe der Prämie richtet sich nach dem erreichten Leistungsergebnisgrad, der Prämiengruppe, dem Gütegrad und den prämienfähigen Stunden.
- Der Prämienbetrag in D-pf. je Stunde ist der Prämientabelle zu entnehmen. Die Prämie beträgt derzeit mindestens 10% des tariflichen Zeitstundenlohnes bei Erreichen der vereinbarten Bezugsleistung.
- Die Prämientabelle wird nach ihrer Verabschiedung und nach der Unterzeichnung der Rahmen-Betriebsvereinbarung als Anlage 3 Bestandteil dieser Vereinbarung”
Wegen der übrigen Regelungen wird auf Bl. 17 – 20 d.A. Bezug genommen. Die Betriebsvereinbarung 1975 wurde zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt gekündigt. Am 12. Januar 1989 wurde „zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat” eine Vereinbarung (Betriebsvereinbarung 1989) geschlossen, nach deren Nr. 1 „die Rahmenbetriebsvereinbarung zur Leistungsentlohnung vom 16. Dezember 1975… rückwirkend wieder in Kraft gesetzt” wird und nach deren Nr. 3 ab dem 01. Januar 1989 „die als Anlage beiliegende Prämiengeldtabelle” (Prämiengeldtabelle 1989) gilt. Die Betriebsvereinbarung 1989 und die Prämiengeldtabelle 1989 sind von der „Geschäftsleitung” und vom „Betriebsrat” unterzeichnet. Für den Betriebsrat unterschrieb S. L.. Dieser war zum damaligen Zeitpunkt sowohl Vorsitzender des Betriebsrats in A als auch des Gesamtbetriebsrats. Eine Prämiengeldtabelle wurde letztmals am 25. Mai 2004 mit Wirkung ab 01. Mai 2004 vereinbart (Prämiengeldtabelle 2004 – Bl. 23 d.A.). Diese Prämiengeldtabelle 2004 ist von der „Geschäftsleitung” der Beklagten und vom „Gesamtbetriebsrat” in Gestalt von S. L. unterzeichnet. Sie unterscheidet zwischen vier Prämiengruppen. Die Prämiengruppe I sieht ausgehend von 12,43 EUR pro Stunde bei 100% eine Prämie von 1,24 EUR, ab 121% eine solche von 1,50 EUR vor; die Prämiengruppe IV reicht ausgehend von 10,37 EUR pro Stunde von 1,04 EUR bis 1,25 EUR.
In den Jahren 1993 und 1994 fanden verschiedene Gespräche zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und den Betr...