Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme eines mit Handels- und Verkaufstätigkeiten betreffend Industriefußböden befassten Unternehmens am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe
Leitsatz (amtlich)
1. Das tarifliche Merkmal "Gesamtheit von Arbeitnehmern" ist als vereinbar mit dem rechtsstaatlichen Gebot ausreichender Bestimmtheit von Normen anzusehen.
2. Die Anforderungen, die an eine sog. fiktive Betriebsabteilung zu stellen sind, sind nicht grundsätzlich einschränkend auszulegen (Anschluss an BAG 19.11.2014 - 10 AZR 787/13).
3. Durch die Norm des § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV wird auch nicht dieAbgrenzung zu sonstigen Fällen eines "Mischbetriebs" unzumutbar erschwert. Es kommt, wie auch in den sonstigen Fällen einer Betriebsabteilung, darauf an, ob eine personell und organisatorisch abgrenzbare Einheit vorliegt. Daran fehlt es zum einen dann, wenn die gleichen Arbeitnehmer mal baufremde und mal bauliche Arbeiten verrichten, zum anderen in dem Fall, in dem die außerhalb der stationären Betriebsstätte beschäftigten Arbeitnehmer in einem nicht unerheblichen Maße auch in der Betriebsstätte mitarbeiten.
4. Zur Frage, inwieweit die im Beweisantrag der Sozialkasse aufgeführte Anzahl von Zeugen mit der Anzahl der im Wege der Mindestbeitragsklage zugrunde gelegten Anzahl von Arbeitnehmern übereinstimmen muss.
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 31.01.2014; Aktenzeichen 8 Ca 1185/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31. Januar 2014 - 8 Ca 1185/12 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.512,00 EUR (in Worten: Zehntausendfünfhundertzwölf und 0/100 Euro) zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben der Kläger 58 % und die Beklagte 42 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 44 % und die Beklagte zu 56 % zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Er ist tarifvertraglich verpflichtet, die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes einzuziehen.
Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) begehrt er von der Beklagten Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in Höhe 18.640 Euro. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum September 2008 bis Dezember 2009. Bezüglich der gewerblichen Arbeitnehmer legte der Kläger die vom Statistischen Bundesamt ermittelten Durchschnittslöhne im Wege einer Mindestbeitragsklage zugrunde und ging dabei von mindestens zwei gewerblichen Arbeitnehmern pro Monat aus.
Im Betrieb der Beklagten wurden im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitszeitlich betrachtet überwiegend Handels- und Verkaufstätigkeiten betreffend Industriefußböden erbracht. Nur zu einem geringen Teil wurden Beton- und Glättarbeiten von Böden auf Baustellen bei Kunden erbracht. In diesem Bereich waren in der Zeit von 2008 bis 2009 mit unterschiedlichen Beschäftigungszeiten vier Arbeitnehmer eingesetzt. Hierbei handele es sich um die Arbeitnehmer A, beschäftigt vom 17. August 2009 bis 15. Dezember 2009, B, beschäftigt vom 1. September 2008 bis 18. Dezember 2009, C, beschäftigt vom 15. April 2009 bis 5. September 2009 sowie D, beschäftigt vom 16. März 2009 bis 3. Juli 2009. Ob die dort eingesetzten Arbeitnehmer als eine Betriebsabteilung im tariflichen Sinne angesehen werden können, ist zwischen den Parteien im Streit.
Am 29. April 2010 fand ein Betriebsbesuch bei der Beklagten statt. Auch über das Ergebnis dieses Betriebsbesuches herrscht zwischen den Parteien Streit.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Er hat behauptet, im Betrieb bestünde eine fingierte Betriebsabteilung i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV. Er hat vorgetragen, die dort beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer hätten in den Kalenderjahren 2008 und 2009 (vom 1. September 2008 bis 18. Dezember 2009) durch die Beklagte koordiniert im Verbund eingesetzt außerhalb der stationären Betriebstätte arbeitszeitlich betrachtet fast ausschließlich, auf jeden Fall zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit, die folgenden Arbeiten erbracht:
Betonarbeiten, wie das Glätten, Schleifen und Fräßen von Industriefußböden aus Beton mittels Maschinen, bis die Oberfläche glatt und geschlossen ist.
Ursprünglich hatte der Kläger eine Klage unter Berücksichtigung von Angestellten in Höhe von insgesamt 24.736 Euro geltend gemacht. Nach teilweiser Klagerücknahme hat er zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18.640 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage...