Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahme eines Änderungsvertrags. Verstoß gegen Treu und Glauben bei Berufung auf Frist. Wahrung von Ausschlussfristen
Leitsatz (redaktionell)
Das Berufen auf eine Frist zur Annahme eines Änderungsvertrags ist nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, wenn der Arbeitgeber Mitarbeitern noch eine weitere, verlängerte Frist eingeräumt hat.
Normenkette
BGB §§ 611, 150 Abs. 2, § 242
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.04.2013; Aktenzeichen 20 Ca 8958/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. April 2013 - 20 Ca 8958/12 - teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.847,77 EUR (in Worten: Zwölftausendachthundertsiebenundvierzig und 77/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Januar 2013 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 8,5% und die Beklagte 91,5% zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am 31. August 1961 geborene, verheiratete und schwerbehinderte Kläger ist seit dem 14. März 1994 als Sachbearbeiter bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin mit einer Jahresarbeitszeit von 1.040 Stunden beschäftigt. Im Anstellungsvertrag vom 17./16. März 1994 (Bl. 95-98 d.A.) vereinbarten die Parteien in Ziffer 6, dass für das Arbeitsverhältnis die für die Beklagte geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung verbindlich sind. Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di.
In einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht mit dem Aktenzeichen 10 Ca 845/10 und dem Hessischen Landesarbeitsgericht mit dem Aktenzeichen 6 Sa 713/11 stritten die Parteien darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger gemäß dem Manteltarifvertrag des privaten Bankgewerbes einen Berufsjahressprung, den die mit Wirkung zum 31. Dezember 2000 aus dem Arbeitgeberverband der privaten Banken ausgeschiedene Beklagte im Hinblick auf die Tarifverhandlungen zum Abschluss von Firmentarifverträgen, die ursprünglich bis Ende 2001 zustande gekommen sein sollten, verweigerte. Die Klage des Klägers hatte gemäß Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichtes vom 16. November 2011 in der zweiten Instanz Erfolg. Danach war der Kläger zum 01. Januar 2002 in die Tarifgruppe 6/10. Berufsjahr des Manteltarifvertrages des privaten Bankgewerbes einzugruppieren, so dass ihm zum 01. Juli 2002 eine entsprechende Ausgleichszulage zustand.
Mit Wirkung zum 01. Januar 2009 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di einen neuen Gehaltstarifvertrag ab. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
§ 4 Änderung des Gehaltstarifvertrages
Die Tarifparteien sind sich darüber einig, dass die in diesem Gehaltstarifvertrag vorgenommenen Änderungen der Harmonisierung und der Vereinfachung der Arbeitsbedingungen im Unternehmen dienen.
Aus diesem Grund löst der vorliegende Gehaltstarifvertrag mit seinen Anlagen den bisherigen Gehaltstarifvertrag vom 21. Juni 2002 mit seinen Anlagen vollständig ab. ...
§ 5 Tarifgehälter
Zum Zwecke der Harmonisierung der Arbeitsbedingungen ist es von den Tarifparteien beabsichtigt, auch einheitliche Bedingungen in den Arbeitsverträgen zu erzielen.
Vor diesem Hintergrund wird den Arbeitnehmern (hiervon sind die Auszubildenden ausgenommen) das Angebot unterbreitet, neue einheitliche Arbeitsverträge zu unterzeichnen. Der neue Arbeitsvertrag ist der Tarifkommission zur Kenntnisnahme vorgelegt worden. In diesem Zusammenhang vereinbaren die Tarifparteien folgendes:
- Für diejenigen Arbeitnehmer, welche den neuen Arbeitsvertrag innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zugang unterzeichnen, ergeben sich die monatlichen Tarifgehälter der Funktionsgruppen 1-9 in den Stufen a) bis e) für die Jahre 2009 und 2010 aus der Anlage 5a (Tariftabellen) zu diesem Gehaltstarifvertrag. Die Tarifgehälter (Tariftabellen) in Anlage 5a ergeben sich aus der in Anlage 4 beschriebenen Berechnung, welche nur für diejenigen Arbeitnehmer gilt, die den neuen Arbeitsvertrag unterzeichnen.
- Für diejenigen Arbeitnehmer, welche den neuen Arbeitsvertrag innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zugang nicht unterzeichnen, ergeben sich die monatlichen Tarifgehälter der Funktionsgruppen 1-9 in den Stufen a) bis e) für die Jahre 2009 und 2010 aus der Anlage 5b (Tariftabellen) zu diesem Gehaltstarifvertrag. ...
- ...
Die 4-Wochen-Frist beginnt zu laufen, sobald dem Arbeitnehmer der zu unterzeichnende Arbeitsvertrag zugegangen ist.
Wegen des weiteren Inhalts des Gehaltstarifvertrages wird auf die zu den Akten gereichte Abschrift (Anlage K1, Bl. 8-26 d.A.) verwiesen.
Unter dem 15. Juli 2010 vereinbarten die Tarifvertragsparteien in einer Protokollnotiz zu § 4 Ziffer 1 des Gehaltstarifvertrages folgendes:
Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 des Gehaltstarifvertrages
Die Tarifparteien sind sich einig, dass zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Gehaltstarifvertrages und seiner Anlagen vom 03. Dezember 2008 der Begriff "neuer Arbeitsvertrag" nicht...