Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrieblicher Geltungsbereich des VTV bei Fertigbauteilen. Darlegungs- und Beweislast für Anwendbarkeit bei Sozialkasse
Leitsatz (redaktionell)
Der Anwendungsbereich des VTV richtet sich danach, ob die überwiegende Arbeitszeit in einem Betrieb mit überwiegend baulichen Leistungen erbracht wird. Dass einzelne Teile von einem anderen Unternehmen zusammengesetzt werden, steht dem nicht entgegen.
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13; ZPO § 138
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 28.09.2018; Aktenzeichen 8 Ca 631/17) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 28. September 2018 – 8 Ca 631/17 – abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 139.173,20 € zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen an die Sozialkassen des Baugewerbes für den Zeitraum von Januar 2016 bis Juli 2017.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt und verpflichtet.
Die Beklagte, die den tarifschließenden Verbänden des Baugewerbes nicht mitgliedschaftlich verbunden ist, unterhielt in den Kalenderjahren 2016 bis 2017 einen Betrieb, in welchem maschinell Ziegelwände für Gebäude hergestellt wurden. Hierfür wurden auf Grundlage der Planung der Bauherren auf das jeweilige Bauvorhaben zugeschnittene Pläne angefertigt, in denen die fertigen Längen/Breiten/Höhen der Wände und die Platzierungen und Größen der jeweiligen Öffnungen für Fenster und Türen enthalten waren. Diese Angaben wurden in die EDV der eigens errichteten Produktionsstraße eingegeben. Im Herstellungsprozess wurden die auf Paletten angelieferten Ziegel zum Verladeband gefahren und von Robotern von der Palette auf das Band gehoben und der Planung entsprechend akkurat ausgerichtet. Die Ziegel wurden dann vollautomatisch unter Verwendung eines speziellen Zweikomponentenklebers zu fertigen Mauerteilen verklebt und anschließend die Öffnungen für Türen und Fenster herausgesägt. Die fertigen Ziegelwände wurden bis zum Abtransport auf die jeweilige Baustelle in dem Betrieb der Beklagten zwischengelagert und dann zum Bauvorhaben verbracht. 70 % der im Zeitraum Januar 2016 bis Juli 2017 hergestellten fertigen Mauern wurden von der A auf den Baustellen eingebaut. Alleingesellschafter der Beklagten war während dieses Zeitraums Herr B, der zu dieser Zeit auch Mehrheitsgesellschafter der A war.
Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 03. Mai 2013 (VTV) i.V.m. § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SokaSiG) bzw. i.V.m. der Allgemeinverbindlichkeitserklärung des VTV vom 04. Mai 2016 auf Zahlung tarifvertraglicher Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum von Januar 2016 bis Juli 2017 i.H.v. 139.173,20 EUR in Anspruch. Die Höhe der Beitragsforderung ergibt sich aus den, von der Beklagten außerprozessual mitgeteilten Bruttolohnsummen der beschäftigten Arbeitnehmer im Klagezeitraum.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bei der im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend durchgeführten Produktion der Ziegelwände habe es sich um die Herstellung von Fertigbauteilen im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV gehandelt. Da diese Fertigbauteile von dem verbundenen Unternehmen A eingebaut worden seien, unterfalle der Betrieb während des streitgegenständlichen Zeitraums dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV, der über § 7 SokaSiG zur Anwendung komme.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 139.173,20 EUR an ihn zu verurteilen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Auffassung vertreten, eine Beitragszahlungspflicht bestehe nicht, da nicht arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten ausgeführt worden seien. Bei der vollautomatischen Herstellung von Ziegelwänden handele es sich nicht um die Herstellung von Baufertigteilen im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV. Die Fertigung der Mauern ersetze keine herkömmliche, konventionelle Arbeitsweise am Bau. Auch würden keine kompletten Baueinheiten hergestellt.
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Niederschriften der mündlichen Verhandlungen und auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 28. September 2018 die Klage abgewiesen und angenommen, der betriebliche Geltungsbereich des VTV sei nicht eröffnet. Der Kläger habe die Anwendbarkeit des VTV bereits nicht schlüssig begründet. Zwar seien die Wände durch ein verbundenes Unternehmen im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV...