Entscheidungsstichwort (Thema)
Strenge Anforderungen an den Verfügungsgrund im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
Leitsatz (redaktionell)
An den Verfügungsgrund (§ 940 ZPO) sind im einstweiligen Rechtsschutzverfahren strenge Anforderungen zu stellen. Der Antragsteller muss auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sein. Die geschuldete Handlung ist, wenn sie ihren Sinn nicht verlieren soll, so kurzfristig zu erbringen, dass die Erwirkung eines Titels im Hauptsacheverfahren nicht möglich ist. Auch muss der dem Antragsteller aus der Nichterfüllung drohende Schaden außer Verhältnis zu dem Schaden stehen, der dem Antragsgegner aus der sofortigen - vorläufigen - Erfüllung droht. Eine solche Dringlichkeit besteht im zu entscheidenden Einzelfall nicht, wenn der Verfügungskläger seit seiner Freistellung von der Arbeit trotz bestehendem Arbeitsverhältnis fünfzehn Wochen wartet, bis er seine Beschäftigung mit einer einstweiligen Verfügung erreichen will. Hier fehlt es am Verfügungsgrund.
Normenkette
BGB § 611; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.10.2019; Aktenzeichen 15 Ga 133/19) |
Tenor
Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Oktober 2019 – 15 Ga 133/19 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens um die vertragsgerechte Beschäftigung des Verfügungsklägers (im Folgenden: Kläger).
Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) ist eine überregional tätige Bank mit Sitz in A. Sie stellt in Deutschland und Europa mittelständischen Unternehmen aus dem Industrie-, Handels- und Dienstleistungsgewerbe Kapitalmarkt- und Beratungsdienstleistungen, Risikomanagement und Kredite zur Verfügung.
Der Kläger ist am xx.xx.1970 geboren. Er ist verheiratet und einem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtet. Er ist bei der Beklagten seit dem 1. Mai 2004 als Bereichsleiter Treasury & Investment auf der ersten Führungsebene unterhalb des Vorstands beschäftigt. Dem Arbeitsvertragsverhältnis der Parteien liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 2003 (Bl. 21 – 26 d.A.) zugrunde, den die Parteien hinsichtlich der Kündigungsfrist mit Vereinbarung vom 27. Dezember 2007 (Bl. 27 d.A.) und hinsichtlich des Dienstsitzes mit Vereinbarung vom 28. Oktober 2015 (Bl. 28 d.A.) geändert haben. Das Bruttojahresfixgehalt des Klägers beträgt € 308.000,00. Er hat Anspruch auf einen Firmenwagen zur dienstlichen und privaten Nutzung sowie auf einen Bonus. Dieser betrug im Jahr 2018 € 172.000,00. Wegen der Beschreibung der dem Kläger zugewiesenen Aufgaben wird auf Seite 2 und 3 der Antragsschrift Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 14. Juni 2019 stellte die Beklagte den Kläger widerruflich von der Arbeitsleistung frei (Bl. 31 d.A.). Am 18. Juni 2019 sandte der Kläger eine E-Mail an den Personaldirektor der Beklagten, Herrn B, und bestätigte den Erhalt der „Freistellung per Post“. Er verabschiedete sich darin „wie besprochen“ in den Urlaub (Bl. 50 d.A.). Dieser dauerte bis zum 14. Juli 2019 an.
Nach sodann nach Ablauf von weiteren fünf Wochen – wie vom Kläger im Kammertermin vor der Berufungskammer unstreitig vorgetragen - aufgenommenen und erfolglos bis zum 13. September 2019 geführten Verhandlungen wegen einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, forderte der Kläger von der Beklagten über seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 17. September 2019 vertragsgerechte Beschäftigung (Bl. 32, 33 d.A.). Dies lehnte die Beklagte per E-Mail vom 20. September 2019 ab (Bl. 34, 35 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2019, der am selben Tag bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangen ist, hat der Kläger das Verfahren eingeleitet.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es bestehe ein Verfügungsanspruch, da sein Arbeitsvertrag kein Freistellungsrecht für die Beklagte vorsehe. Zudem habe er mangels Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes Interesse daran, beschäftigt zu werden. Er hat behauptet, ihm drohe ansonsten ein massiver Wissensverlust sowie ein Verlust der notwendigen Branchenkontakte mit der Folge, dass seine Chancen bei der Beklagten wie auch auf dem Arbeitsmarkt an sich verschlechtert würden. Er hat behauptet, seine Aufgaben seien auch nicht entfallen. Er hat behauptet, er habe der Freistellung zu keiner Zeit zugestimmt. Vielmehr habe er gegenüber dem Vorstand C in dem Telefonat am 14. Juni 2019 mitgeteilt, dass eine sofortige Freistellung nicht akzeptieren werde.
Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe sich gegenüber Herrn B unter zwei Alternativen gegen eine Rückkehr ins Büro und für die Freistellung entschieden. Dies habe der Kläger Herrn B telefonisch mitgeteilt und um eine schriftliche Bestätigung der Freistellung gebeten. Sie hat gemeint, wegen der einvernehmlichen Suspendierung bestehe ein Verfügungsanspruch nicht. Sie hat auch gemeint ein Verfügungsgrund bestehe nicht. Diesen habe der Kläger auch selbst widerleg...