Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Notwendigkeit des Zustimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei einer auf Versetzung abzielenden Änderungskündigung
Leitsatz (amtlich)
Nach Ansicht des Berufungsgerichts setzt eine auf Versetzung des Arbeitnehmers i. S. des § 95 Abs. 3 BetrVG abzielende Änderungskündigung neben der Anhörung des Betriebsrats i. S. des § 102 Abs. 1 BetrVG auch die Einleitung des Zustimmungsverfahrens i. S. des § 99 Abs. 1 BetrVG voraus (im Anschluß an BAG in AP Nr. 1 zu § 75 BPersVG sowie im Urteil vom 3.7.1986 – Az. 2 AZR 343/85 –; ebenso KR-Rost, 2. Aufl., § 2 KSchG, Rz 131 – 134). Ist letztere unterblieben, so muß dieser Mangel zwangsläufig auch die individualrechtliche Wirksamkeit der ausgesprochenen Änderungskündigung betreffen (ebenso LAG Hamm in DB 1979, S. 2449, sowie LAG Düsseldorf, Urteil vom 8.6.1984 – Az. 11 Sa 82/84 –); die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 2.7.1980 (in AP Nr. 5 zu § 101 BetrVG 1972) steht dem nicht entgegen.
Normenkette
KSchG § 2 S. 1; BetrVG § 99 Abs. 1, § 102 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.12.1985; Aktenzeichen 13 Ca 288/05) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Frankfurt/Main vom19.12.1985 – Az.: 13 Ca 288/85 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Es wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Änderungskündigung.
Der jetzt 47 Jahre alte und verheiratete Kläger trat am 1.1.1983 als Speditionskaufmann in die Dienste der Beklagten. Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien bildet ein Anstellungsvertrag vom 30.8.1982, auf dessen näheren Inhalt (Bl. 134/135 d.A.) Bezug genommen wird. Das Monatsgehalt des Klägers beträgt derzeit 4.900,– DM brutto zuzüglich einer Weihnachtsgratifikation von 11.200,– DM. Die Beklagte beabsichtigte ursprünglich, den Kläger als Agenturleiter für eine von ihm neu aufzubauende Agentur in D. einzusetzen. Tatsächlich kam es jedoch nicht dazu, weil die Beklagte aus verschiedenen Gründen von dieser Absicht Abstand nahm. Seit dem 7.3.1983 wurde der Kläger deshalb – nach einer anfänglichen Einarbeitungszeit – mit Aufgaben im Regionalverkauf beschäftigt und mit Wirkung ab 21.1.1985 – ohne sein Einverständnis – als Sachbearbeiter in den Bereich „Verkehre Ost” umgesetzt.
Mit Schreiben vom 24.6.1985 (Bl. 4 d.A.) sprach die Beklagte – nach vorheriger Anhörung ihres Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG – eine fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.1985 aus. Gleichzeitig bot sie dem Kläger die Anstellung als Sachbearbeiter in der Speditionsabteilung mit einem monatlichen Gehalt von 3.500,– DM brutto an. Der Kläger nahm dieses Angebot mit Schreiben vom 4.7.1985 (Bl. 32 d.A.) unter dem Vorbehalt an, daß die geänderten Arbeitsbedingungen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt seien.
Mit der vorliegenden, am 2.7.1985 eingereichten Kündigungsschutzklage macht der Kläger geltend, die ihm ausgesprochene Änderungskündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, da weder personen- oder verhaltensbedingte noch betriebsbedingte Gründe vorlägen. Er hat vorgetragen, die angebotene Tätigkeit in der Speditionsabteilung sei völlig unbestimmt, zumal eine so bezeichnete Abteilung bei der Beklagten gar nicht existiere; ebenso sei offen geblieben, welche Aufgaben man ihm konkret habe übertragen wollen.
Darüber hinaus hat der Kläger eine ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats nach der Vorschrift des § 99 Abs. 1 BetrVG in Abrede gestellt; die Vorschriften der §§ 99 Abs. 1 und 102 Abs. 1 BetrVG seien bei einer Änderungskündigung, welche jeweils auch eine Versetzung sowie im Streitfalle überdies eine Herabgruppierung darstelle, nebeneinander anzuwenden.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristgemäße Änderungskündigung der Beklagten vom 24.6.1985 nicht geändert worden sei.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Änderungskündigung für sozial gerechtfertigt gehalten und hierzu vorgetragen, der Kläger sei mit Verkaufsaufgaben weiterbeschäftigt worden, nachdem er – auf Grund der unterbliebenen Gründung einer Agentur in D. – die Position des dortigen Agenturleiters nicht habe übernehmen können. Anschließende Versuche, den Kläger in den Agenturen B. oder K. einzusetzen, seien an Bedenken und Bedingungen des Klägers gescheitert. Mit der jetzt ausgesprochenen Änderungskündigung habe man sich im übrigen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts Frankfurt/Main gebeugt, welches in einem Vorprozeß der Parteien – Az.: 10 Sa 114/85 – die vorausgegangene Beendigungskündigung als rechtsunwirksam erachtet habe.
Des weiteren hat die Beklagte insbesondere dargelegt, eine andere Position als die eines Sachbearbeiters der Speditionsabteilung stehe für den Kläger nicht zur Verfügung. Als gelernter Spediteur könne er auch nicht mit dem Hinweis gehört werden, er wisse nicht, was eine Speditionsabteilung sei.
Andererseits sei er...