Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Unwirksame außerordentliche und wirksame ordentliche Kündigung wegen des Verdachts der Privatnutzung des Diensthandys. Verdacht der Privatnutzung des Diensthandys. Zumutbarkeit der ordentlichen Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Benutzt der Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Diensthandy, um auf dessen Kosten heimlich umfangreiche Privattelefonate zu führen, stellt dies an sich einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar.
2. Auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich der Arbeitnehmer i.d.R. nicht berufen, da bei der Prüfung des wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB die Umstände des jeweiligen Einzelfalls umfassend abzuwägen sind.
3. Kündigt der Arbeitgeber bei gleicher Ausgangslage im Sinne einer gleichartigen Pflichtverletzung nicht allen daran beteiligten Arbeitnehmern, lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass es für ihn zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis auch mit dem gekündigten Arbeitnehmer fortzusetzen.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.12.2010; Aktenzeichen 12 Ca 1817/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 07. Dezember 2010, 12 Ca 1817/10, teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 04. März 2010 nicht aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Arbeitgeberkündigung, um Weiterbeschäftigung und einen Auflösungsantrag der Arbeitgeberin.
Wegen des erstinstanzlich unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 135 bis 141 d.A.).
Die ursprüngliche Beklagte (A, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Offenbach am Main unter HRB ...) hat ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Umwandlung durch Aufspaltung auf verschiedene Gesellschaften übertragen, ua. den Betrieb B auf die jetzige Beklagte (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Offenbach am Main unter HRB ...). Die entsprechenden Eintragungen im Handelsregister erfolgten am 01. Juli 2011 bzw. 17. Juni 2011. Die (jetzige) Beklagte hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 06. Juli 2011 aufgenommen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch am 07. Dezember 2010 verkündetes Urteil, 12 Ca 1817/10, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liege vor, denn der Kläger habe unstreitig über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr während seiner Urlaubszeiten in erheblichem Umfang privat über sein Diensthandy telefoniert und dabei Kosten von über 1.160,00 € für die Beklagte verursacht. Hierin liege eine erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Rechtfertigungsgründe habe der Kläger nicht vorgebracht. Eine Abmahnung sei entbehrlich, da der Kläger nicht davon habe ausgehen können, die Beklagte werde sein Verhalten hinnehmen. Die Kündigung sei auch nicht als sog. herausgreifende Kündigung unwirksam. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 142 bis 149 d.A.).
Gegen dieses ihm am 03. Januar 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. Januar 2011 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund Antrags vom 23. Februar 2011 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 04. April 2011 am 01. April 2004 begründet.
Er vertieft seinen Vortrag und vertritt die Auffassung, eine Abmahnung sei nicht entbehrlich gewesen. Die Beklagte habe in der Vergangenheit beim Kläger wie auch bei anderen Arbeitnehmern die tatsächliche oder scheinbar private Nutzung des Mobilfunktelefons unbeanstandet hingenommen und geduldet. Die Beklagte habe Rechnungen auch schon vor Januar 2010 überprüft und trotz der aus den Rechnungen unproblematisch erkennbaren Privatnutzung keinerlei Maßnahmen ergriffen. Aufgrund der Verhaltensweise der Beklagten habe er nicht damit rechnen müssen, sein Verhalten gefährde den Bestand seines Arbeitsverhältnisses. Entgegen der Auffassung der angefochtenen Entscheidung liege auch eine herausgreifende Kündigung vor. Er verweist auf den Umstand, dass die Beklagte in 39 Fällen Abmahnungen statt einer Kündigung wegen unerlaubter Privatnutzung des Diensthandys ausgesprochen habe und vertritt die Auffassung, für eine ungleiche Behandlung bestünden keine rechtfertigenden und nachvollziehbaren Gründe. Er hält daran fest, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt und meint, die Betriebsratsanhöru...