Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer Flugbegleiterin wegen Fluguntauglichkeit. Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich fehlender alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten
Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze zur erweiterten Darlegungslast bei unterbliebenen BEM gelten nicht nur im Kündigungsschutzrechtsstreit, sondern auch bei der Befristungskontrolle bei an die Feststellung dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit geknöpfter auflösender Bedingung.
Normenkette
SGB IX § 84; MTV Nr. 2 Kabine (DLH) § 20
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 01.03.2016; Aktenzeichen 24 Ca 3987/15) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 1. März 2016, 24 Ca 3987/15, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Eintritts einer auflösenden Bedingung beendet ist.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 1. April 1989 beschäftigt, zunächst aufgrund Arbeitsvertrages vom 1. April 1989 (Bl. 11 d.A.) bis 11. Juni 1993 als Bodenmitarbeiterin und seit 12. Juni 1993 aufgrund Arbeitsvertrages vom 11. Juni 1993 (Bl. 13 f d.A.) als Flugbegleiterin, zuletzt entsprechend einer nicht unterzeichneten "Teilzeitvereinbarung" vom 20. Mai 2014 (Bl. 15 d.A.) mit 72,05 % der Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Mitarbeiters.
Der Arbeitsvertrag vom 11. Juni 1993 lautet auszugsweise:
2. Rechte und Pflichten
Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus den für A geltenden Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fassung, sowie aus den für A gültigen Dienstvorschriften und Arbeitsanweisungen und aus den Bestimmungen dieses Vertrages.
§ 20 des für das Kabinenpersonal der Beklagten abgeschlossenen Manteltarifvertrages Nr. 2 für das Kabinenpersonal in der Fassung vom 01.01.2013 (in der Folge MTV Nr. 2) lautet auszugsweise:
§ 20 Verlust der Flugdiensttauglichkeit, Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(1) a) Wird durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle festgestellt, dass ein Mitarbeiter wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, so endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Feststellung und Bekanntgabe der Flugdienstuntauglichkeit an den Betroffenen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 22 frühestens zulässig gewesen wäre.
Flugdienstuntauglichkeit im Sinne dieser Bestimmungen ist das auf einem unbehebbaren oder aller Wahrscheinlichkeit nach unbehebbaren körperlichen Mangel beruhende Unvermögen, eine fliegerische Tätigkeit nach den einschlägigen Vorschriften weiter auszuüben.
Vor Stellung eines erstmaligen Antrages an den Rentenversicherungsträgen auf Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsleistungen oder spätestens vor einem entsprechenden Antrag auf Verlängerung befristet gewährter Leistungen kann der Mitarbeiter von der Möglichkeit Gebrauch machen, seine Flugdiensttauglichkeit (ggf. erneut) durch die fliegerärztliche Untersuchungsstelle überprüfen zu lassen.
Am 27. April 2015 stellte Frau Dr. B vom medizinischen Dienst der Beklagten, ausweislich des Schreibens vom 27. April 2015 (Bl. 16 d.A.) fliegerärztliche Sachverständige des "C", für die Klägerin mit Wirkung zum 24. April 2015 dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit fest.
Die Beklagte hat im Gegensatz zur Klägerin die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis der Parteien ende aufgrund dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit der Klägerin zum 31. Dezember 2015. Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 203 bis 207 d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch am 1. März 2016 verkündetes Urteil, 24 Ca 3987/15, unter Klageabweisung im Übrigen festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund § 20 MTV Nr. 2 zum 31. Dezember 2015 beendet ist, und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen und soweit für das Berufungsverfahren noch von Belang ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Klägerin dauerhaft flugdienstuntauglich sei, denn es sei nicht auszuschließen, dass sie jedenfalls noch auf einem freien Bodenarbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte. Die tarifvertragliche auflösende Bedingung sei restriktiv dahin auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis des dauerhaft flugdienstuntauglichen Arbeitnehmers nur dann ende, wenn für ihn auch keine zumutbaren Einsatzmöglichkeiten im Bodendienst mehr vorhanden seien. Dies sei von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt, wobei sie im Hinblick auf das Fehlen alternativer leidensgerechter Beschäftigungsmöglichkeiten eine erhöhte Darlegungslast treffe, da sie kein ordnungsgemäßes BEM durchgeführt habe. Die vom...