Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der selbständigen Betriebsabteilung i.S. von § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 S. 3 VTV
Leitsatz (amtlich)
1. Werden Arbeitnehmer in einem nicht unerheblichen Umfang auch zu Arbeiten in der stationären Betriebsstätte herangezogen und ist aufgrund dieser Fluktuation ein "fester Kern" von Arbeitnehmern in der Abteilung nicht mehr erkennbar, kann eine selbstständige Betriebsabteilung i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV nicht angenommen werden.
2. Ist die vierjährige Ausschlussfrist abgelaufen, trägt die ULAK die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt die für die Erhebung einer Beitragsklage erforderliche Kenntnis i.S.v. § 199 Abs. 1 BGB gehabt hat. Dabei liegt eine entsprechende Kenntnis nicht erst dann vor, wenn der Sozialkasse die Meldungen über die Bruttolöhne vorliegen.
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 S. 3, § 25 Abs. 1; BGB § 199 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 31.07.2013; Aktenzeichen 6 Ca 2150/12) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31. Juli 2013 - 6 Ca 2150/12 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Er ist tarifvertraglich verpflichtet, die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes einzuziehen.
Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) hat er von der Beklagten Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in Höhe 106.716 Euro begehrt. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum Dezember 2007 bis November 2012. Der Kläger legte seiner Berechnung die von dem Statistischen Bundesamt ermittelten Durchschnittslöhne im Baugewerbe zugrunde und ging von mindestens drei gewerblichen Arbeitnehmern pro Monat aus.
Die Beklagte betreibt einen Kfz-Meister-Fachbetrieb, eine Tankstelle und ein Transportunternehmen. Der Sitz der Werkstatt und des Büros ist in der xxxx1. Im Geschäftsverkehr tritt sie mit der Bezeichnung "A" auf.
Daneben führten Mitarbeiter der Beklagten Transport- und Baggerarbeiten, insbesondere für die Firma B-GmbH aus Bamberg (kurz: Fa. B), aus. Es wurden Laternen und Masten transportiert und Kabelgräben, Muffenlöcher und Laternenmastlöcher ausgehoben. Ferner wurden Kabel verlegt und die Laternen und Masten gesetzt. Unstreitig ist, dass im Gesamtbetrieb der Beklagten baugewerbliche Tätigkeiten arbeitszeitlich betrachtet nicht überwiegend angefallen sind, diese machten auch nach Angaben des Klägers allenfalls ca. 30 % der Gesamtarbeitszeit aus.
Im Betrieb der Beklagten wurden am 14. November und 21. Dezember 2011 sowie am 16. Mai 2012 Betriebsbesuche durch einen Mitarbeiter des Klägers durchgeführt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen, soweit im Betrieb Tief- und Erdarbeiten ausgeführt wurden. Die als "Bautrupp" eingesetzten Arbeitnehmer würden eine fiktive Betriebsabteilung i.S.d. VTV bilden. Er hat behauptet, die im Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer hätten in den jeweiligen Kalenderjahren durch die Beklagte koordiniert im Verbund eingesetzt, außerhalb der stationären Betriebsstätte arbeitszeitlich fast ausschließlich (zu 100 %), auf jeden Fall zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit
Tief-, Straßen- und Kanalbauarbeiten, wie den Aushub von Baugruben, Gräben, Erdbewegungsarbeiten zur Baufeldberäumung (z.B. Ziehen von Baumwurzeln) im Zusammenhang mit dem Baugrubenaushub, Ausbaggern von Straßengräben, Straßen- und Oberflächenentwässerung mittels Bagger und Radlader sowie Bohrarbeiten ausgeführt
und seien teilweise außerdem im Rahmen der Vermietung von Baumaschinen mit Bedienungspersonal (z.B. Bagger, Radlader, Kräne) zur Erbringung der vorstehend genannten Tief-, Straßen- und Kanalbauarbeiten eingesetzt worden.
Diese Erkenntnisse beruhten auf den bei der Beklagten durchgeführten drei Betriebsbesuchen. Dort seien Arbeitsverträge, Stundenzettel, Lohnunterlagen sowie Eingangs- und Ausgangsrechnungen eingesehen worden. Hauptauftraggeber der Bauleistungen seien die B-GmbH in Bamberg, die D in xxxx2 und die Stadtverwaltung xxxx2 gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 106.716 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, der betriebliche Geltungsbereich des VTV sei nicht eröffnet. In ihrem Betrieb würden Werkstatt-, Erd-, Transport-, Büroarbeiten sowie Arbeiten im Bereich der Tankstelle erbracht. In den Jahren 2007 - 2012 seien auf die Werkstattarbeiten insgesamt 77.708 Stunden entfallen, in diesem Bereich seien 24 Arbeitnehmer beschäftigt worden. Im Bereich der Transportarbeiten seien insgesamt 11.193 Stunden angefallen. Die Büroarbeit...