Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankheitsbedingte Kündigung. Entgeltfortzahlungskosten. Kosten für Leiharbeitnehmer. Darlegungs- und Beweislast

 

Leitsatz (amtlich)

Kosten für anstelle des erkrankten Arbeitnehmers eingesetzte Ersatzkräfte (Leiharbeitnehmer) können den erheblichen wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers (Prüfungsstufe 2) unmittelbarzugerechnet werden (anders als die Kosten für eine Personalreserve, die in Stufe 3 zu berücksichtigen sind). Ihre Verursachung durch den krankheitsbedingten Arbeitsausfall ist jedoch konkret darzulegen, z. B. durch namentliche Benennung der eingesetzten Ersatzkräfte.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 22.12.1998; Aktenzeichen 2 Ca 379/98)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 22. Dezember 1998 – 2 Ca 379/98 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich um Bestand und Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses,

Die Beklagte ist ein Unternehmen für Apparatebau mit weit mehr als 10 Arbeitnehmern. Der zum Kündigungszeitpunkt 54 Jahre alte Kläger ist seit dem 3. Nov. 1986 bei ihr zu einem Stundenlohn von zuletzt 21,– DM brutto und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden als Elektromechaniker beschäftigt. In den Jahren 1993 bis 1998 kam es wiederholt zu krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers. Die Beklagte leistete hierfür Entgeltfortzahlung in Höhe von 14.836 DM. Die krankheitsbedingten Fehlzeiten setzten sich wie folgt zusammen:

1993

19. Juli 1993 bis 31. Dez. 1993:

13,5 Arbeitstage, davon 17 mit Entgeltfortzahlung

(DM 2.553,–)

1994

1. Jan. 1994 bis 27. März 1994

57 Arbeitstage ohne Entgeltfortzahlung

1995

5. Febr. 1995 bis 18. Febr. 1995

9 Arbeitstage mit Entgeltfortzahlung (1.382,50 DM)

1996

23. März 1996 bis 29. Nov. 1996

11 Arbeitstage, davon 33 mit Entgeltfortzahlung

(DM 5075,50)

1997

keine krankheitsbedingten Fehltage

1998

1. März 1998 bis 26. Juni 1998

89 Arbeitstage, davon 38 mit Entgeltfortzahlung

(DM 5.825.00)

Die Beklagte sprach dem Kläger gegenüber wegen dieser krankheitsbedingten Fehlzeiten mit Schreiben vom 26. Juni 1998 eine ordentliche Kündigung zum 31. Okt. 1998 aus. Gegen diese Kündigung wandte sich der Kläger mit seiner am 13. Juli 1998 beim Arbeitsgericht Offenbach eingegangenen Kündigungsschutzklage. Die Beklagte setzte während der Krankheitszeiten des Klägers im Unternehmen Leiharbeitnehmer ein.

Der Kläger ist der Auffassung gewesen, die Kündigung sei nicht aus krankheitsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Seit Arbeitsaufnahme bei der Beklagten im Jahr 1988 bis zum Jahr 1993 habe er – insoweit unstreitig – keine hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten aufzuweisen. Die krankheitsbedingten Fehlzeiten in 1994, 1996 und 1998 hätten nicht auf einer einzigen Ursache beruht, so daß daraus die Ableitung einer negativen Zukunftsprognose bezüglich seines Gesundheitszustandes nicht möglich sei. Im übrigen könne die Beklagte nicht davon ausgehen, daß ein 55-jähriger Mitarbeiter die gleiche physische Konstitution wie ein 30-jähriger Mitarbeiter aufweise. Vielmehr müsse die Beklagte damit rechnen, daß in diesem Alter krankheitsbedingte Fehlzeiten auftreten können.

Der Kläger hat bestritten, daß ein Einsatz von Leiharbeitnehmern im Zusammenhang mit seinen krankheitsbedingten Fehlzeiten gestanden habe. Die Beklagte beschäftige unabhängig davon regelmäßig seit 2 Jahren Arbeitnehmer von Zeitarbeitsfirmen. Der Einsatz des Personals der Zeitarbeitsfirmen stehe im Zusammenhang mit dem bei der Beklagten in den letzten Jahren durchgeführten Personalabbau. Entlassene Arbeitnehmer der Beklagten würden durch Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen ersetzt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 26.06.1998 zugegangen am 26.6.1998 aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung sei aufgrund der exorbitant hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit, aus der sich die Prognose eines entsprechenden Krankheitsverlaufes in der Zukunft ergebe, gerechtfertigt. Sie habe in jedem Jahr in weit überdurchschnittlichen Ausmaß Leistungen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz erbringen müssen, ohne hierfür ein Äquivalent des Klägers an Arbeit zu erhalten. Aus Anlaß der extrem langen krankheitsbedingten Fehlzeiträume des Klägers sei der Einsatz von Leiharbeitnehmern unumgänglich gewesen und werde bei entsprechendem Krankheitsverlauf auch in der Zukunft unumgänglich sein. Sie habe z. B. in der Zeit vom 1. April 1996 bis 20. Nov. 1996 Arbeitnehmer bei den Firmen G. und M. ausleihen und hierfür 61.065,00 DM aufwenden müssen. Dieser Betrag errechne sich bei einem Stundensatz von DM 40 zuzügl. 15 % Mehrwertsteuer und 173 Tagen und gehe weit über das hinaus, was sie an den Kläger hätte zahlen müssen, wenn dieser arbeitsfähig gewesen wäre. Auch im Ja...

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