Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingte Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Die auf krankheitsbedingte Leistungsminderung (Wirbelsäulenleiden) gestützte Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer, der häufig schwere Lasten in ungünstiger Arbeitshaltung heben muss (Monteur von Sonnenschutzjalousien), ist sozial nicht gerechtfertigt, solange der Arbeitgeber nicht vorträgt, dass die nach der LasthandhabV und dem ArbSchG vorgeschriebenen Maßnahmen durchgeführt und ausgeschöpft sind.
Normenkette
KSchG § 1 II; LasthandhabV § 1 ff.; ArbSchG §§ 5, 7, 12
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.09.1999; Aktenzeichen 16 Ca 1557/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. September 1999 – 16 Ca 1557/99 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte ist ein Unternehmen für Sonnenschutztechnik mit mehr als fünf Arbeitnehmern. Der Kläger ist seit dem 24. Juli 1974 als Monteur bei ihr beschäftigt. Er verdient DM 5 000 brutto im Monat.
Der beim Kläger u. a. aufgrund eines degenerativen Wirbelsäulensyndroms mit skoliotischer Fehlhaltung und Bandscheibenschaden durch Bescheid vom 9. März 1998 (Bl. 4 bis 6 d. A.) festgestellte Grad der Behinderung beträgt 30 %.
Die Arbeitsaufgabe des Klägers besteht – wie die Beklagte erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 19. Aug. 1999 (Bl. 34 d. A.) vorgetragen hat – zu 95 % aus Reparaturarbeiten vor Ort, wobei in der Regel Raffstores zu reparieren sind. Deren durchschnittliches Gewicht bewegt sich auf 20 kg. Schweres Anheben und Stemmen ist nur dann erforderlich, wenn große Markisen montiert werden. Solche Arbeiten sind höchsten 20 mal im Jahr auszuführen. Markisenmontagen machen weniger als 5 % der gesamten Montageleistungen aus.
Mit Schreiben vom 1. Juli 1999 (Bl. 20, 21 d. A.) ließ der Kläger die Beklagte auffordern, schwerste körperliche Belastungen von ihm fernzuhalten.
Mit Schreiben vom 19. Febr. 1999 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30. Sept. 1999.
Die Beklagte hat – wie sie im Berufungsrechtszug vorträgt – an den Kläger von 1992 bis zum 12. Febr. 1999 Entgeltfortzahlung in Höhe von DM 53.363,49 geleistet. Wegen der in den einzelnen Jahren geleisteten Zahlungen wird auf die Aufstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 30. Dez. 1999 (Bl. 78, 79 d. A.) verwiesen.
Der Kläger hat die Fehlzeitenstatistik der Beklagten bestritten. Er hat behauptet, er habe dem Montageleiter H., dem Niederlassungsleiter für F. S. und dem Personalmanager Dr. K. wiederholt erklärt, er sei aufgrund seiner Wirbelsäulenbeschwerden nicht in der Lage, zentnerschwere Jalousien und Lasten zu haben. Die Beklagte habe jedoch darauf bestanden, das er weiter schwere körperliche Arbeit verrichte, z. B. Lasten von 50 kg und mehr allein hebe oder stemme oder zusammen mit einem Kollegen auf der Leiter Markisen von 120 bis 160 kg stemme. Die Beklagte hätte ihm kleinere und mittlere Markisenrollen bis 50 kg zuweisen oder ihm andere Mitarbeiter zur Hilfe zuordnen, Hebebühnen oder kleinere fahrbare Kräne einsetzen können. Die Reparaturarbeiten an Raffstores mit einem durchschnittlichen Gewicht von 20 kg bereiteten ihm keinerlei gesundheitliche Probleme.
Die Beschwerden des Klägers seien nahezu ausschließlich auf belastungsbedingte Funktionseinschränkungen seiner Wirbelsäule zurückzuführen. Diese seien – wie der vom Kläger vorgelegte fachärztliche Bericht des Dr. B. vom 9. Juni 1999 (Bl. 27, 28 d. A.) zeige – auf die schwersten körperlichen Belastungen im Lauf der letzten 25 Jahre zurückzuführen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 19. Febr. 1999 nicht aufgelöst worden ist, sondern unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe bei einem Firmendurchschnitt von 3 % 1992 an 21, 1993 an 59, 1994 an 39, 1995 an 9, 1996 an 16, 1997 an 101, 1998 an 107 und 1999 bis zur Kündigung an 9 Arbeitstagen krankheitsbedingt gefehlt. Die Häufigkeit der Fehlzeiten belege, dass auch in Zukunft mit weiteren Krankheitstagen zu rechnen sei, zumal der Kläger selbst vortrage, schwere körperliche Arbeiten nicht mehr verrichten zu können.
Anlässlich des Fehlzeitengesprächs vom 7. Mai 1998 habe er deutlich gemacht, dass er nach relativ kurzer Belastungsdauer starke Muskelschmerzen im Rücken habe und nicht mehr voll belastbar sei.
Neben den finanziellen Belastungen käme es immer wieder zu Störungen im Arbeitsablauf. Die Montagearbeiten müssten zu einem Großteil von zwei Monteuren durchgeführt werden. Durch die häufigen Erkrankungen des Klägers seien Umplanungen notwendig. Es entstünden enorme organisatorische Probleme. Der Kläger sei offenbar der Meinung, die Beklagte müsse alles unternehmen, um ihn ausschließlich mit leichtesten Arbeiten zu bedienen.
Wegen des weiteren erstinstanzlic...