Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungengende Darlegung des Arbeitgebers. Außerordentliche Tat- oder Verdachtskündigung wegen Unterschlagung von 10.00 EUR durch Kassierer. Verspätetes Vorbringen
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber muss innerhalb gesetzter Schriftsatzfristen hinreichende Tatsachen vortragen und in geeigneter konkreter Form unter Beweis stellen, wenn er eine Kündigung mit einer Kassenmanipulation des Arbeitnehmers begründet.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1; ArbGG § 67 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.03.2010; Aktenzeichen 17 Ca 4884/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 24. März 2010 – 17 Ca 4884/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem 7. November 1994 bei der Beklagten in deren Filiale in der Mainzer Landstraße in Frankfurt am Main als Verkäufer beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14. Mai 2009, dem Kläger zugegangen am selben Tag, außerordentliche mit sofortiger Wirkung und hilfsweise ordentlich. Die Beklagte begründet die Kündigung mit der Unterschlagung des Kaufpreises für eine CD-Spindel in Höhe von EUR 9,99 bzw. dem dringenden Tatverdacht der Unterschlagung.
Die Beklagte hat vorgetragen, am 13. Mai 2009 habe der Zeuge A A um 14:34 Uhr an der Kasse 2, die mit dem Kläger besetzt war, eine CD-Spindel mit der Artikelnummer 204PD8 zu einem Kaufpreis von EUR 9,99 gekauft. Der Zeuge habe den Kaufpreis mit einem gekennzeichneten 10-Euro-Schein beglichen und auf Wechselgeld verzichtet. Der Kläger habe den Kassenvorgang begonnen und dann abgebrochen. Dem Zeugen sei kein Kassenbon angeboten bzw. ausgehändigt worden. Das Warenwirtschaftssystem der Beklagten habe eine automatische E-Mail am 13. Mai 2009 um 14:46 Uhr an den Geschäftsführer der Beklagten und die Zeugen B B und C C versandt. Die Zeugen hätten diese E-Mail (vgl. Anlage B2, Bl. 26 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17. September 2009) um 14:46 Uhr erhalten. Der Kläger habe seine Kassentätigkeit dann bis 16:16 Uhr fortgesetzt. Anschließend habe der Kläger die Kasse abgerechnet. Der Filialleiter habe den Kassensaldo gegengerechnet. Kassen-Ist.Bestand und Kassen-Soll-Bestand hätten bis auf eine Differenz von EUR 0,05 übereingestimmt (vgl. Kassenbericht, überreicht als Anlage B3, Bl. 27 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17. September 2009). Der gekennzeichnete 10-Euro-Schein habe sich nicht in der Kasse befunden. Die Zeugen C und B hätten des Weiteren den CD-Spindel-Bestand überprüft und festgestellt, dass der Soll-Bestand bei 3 CD-Spindeln und der Ist-Bestand bei 2 CD-Spindeln lag. Die Zeugen hätten den Kläger dann zu einer Besprechung in die Sozialräume gebeten und ihn dort mit dem Vorwurf eines Vermögensschädigungsdeliktes zu Lasten der Beklagten konfrontiert. Sie hätten ihm insbesondere vorgeworfen, dass er den Kassiervorgang im Zusammenhang mit dem vorgenannten Kauf der CD-Spindel abgebrochen und den Geldbetrag, nämlich den vormarkierten 10-Euro-Schein nicht in die Kasse eingelegt habe. Der Kläger habe lediglich geäußert, dass ihm übel geworden sei und dass er ganz dringend die Toilette aufsuchen müsse, was der Kläger dann auch getan habe.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24. März 2010 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14. Mai 2009 nicht aufgelöst worden ist. Es hat angenommen, dass die Kündigung nicht als außerordentliche Tatkündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt sei. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagten habe den Kündigungsvorwurf, nämlich dass der Kläger EUR 9,99 für eine CD-Spindel nicht der Kasse zugeführt habe und gleichzeitig durch Vornahme eines sogenannten Kassenabbruchs dies verschleiert habe, nicht zur Überzeugung des Gerichtes dargelegt. Der Vortrag der Beklagten, dass der Kläger anlässlich des Testkaufs einen Kassenabbruch vorgenommen habe, was die Zeugen C und B online mitverfolgt hätten, sei unsubstantiiert. Auch die von der Beklagten in Bezug genommene Anlage B2 sei nicht geeignet, die Behauptung der Beklagten zu untermauern. Gleiches gelte für den Vortrag der Beklagten, dass gegen 16:20 Uhr der Bestand an CD-Spindeln kontrolliert worden sei und der Ist-Bestand vom Soll-Bestand abgewichen sei. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass der Ist- und der Soll-Bestand an CD-Spindeln vor dem streitgegenständlichen Testkauf übereingestimmt hätten. Das Arbeitsgericht hat weiter angenommen, dass die Kündigung auch nicht als außerordentliche Verdachtskündigung gerechtfertigt sei. Der Vortrag der Beklagten sei nicht geeignet, den auf objektiven Tatsachen begründeten starken Verdacht eines strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens des Klägers zu begründen. Auch ein solcher hinreichender Verdacht scheitere vorliegend daran, dass die Beklagte di...