Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Klagefrist
Leitsatz (amtlich)
Enthält der auf eine bestimmt Kündigung des Arbeitgebers bezogene Kündigungsschutzantrag des Arbeitnehmers den Zusatz „sondern ungekündigt fortbesteht”, liegt darin dann nicht die Erhebung einer zusätzlichen Feststellungsklage nach § 256 ZPO, wenn die Klagebegründung sich nur mit der im Kündigungsschutzantrag bezeichneten Kündigung befaßt. Eine solche Klage wahrt die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG nicht im Hinblick auf andere Kündigungen des Arbeitgebers (Anschluß an BAG vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93, NZA 94, 860).
Normenkette
KSchG § 4 S. 1; ZPO § 256; BetrVG § 102
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 12.01.1994; Aktenzeichen 9 Ca 146/93) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird dasUrteil desArbeitsgerichts Darmstadt vom12. Januar 1994 – 9 Ca 146/93 – abgeändert.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 12. Mai 1993 erst zum 31. Oktober 1993 beendet worden ist.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zum Beklagten.
Der am 14.10.1955 geborene, verheiratete Kläger, Vater von zwei Kindern, schwerbehindert im Sinne des Schwerbehindertengesetzes, war seit dem 20.08.1975 bei der Gemeinschuldnerin, die Produkte aus Gummiwaren herstellt, als Arbeiter (Gummiwerker), zuletzt zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 4.200,– DM, eingruppiert in die Vergütungsgruppe E 3 des einschlägigen Tarifvertrages, beschäftigt. Am 31.12.1992 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin, bei der seit Jahren kurz gearbeitet wurde, das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestimmt. Bei der Gemeinschuldnerin bestanden im Zeitpunkt der Konkurseröffnung vier Betriebsabteilungen. In der sogenannten Mischerei wurden mit 27 Arbeitnehmern Gummimischungen als Vorprodukte für die übrigen Abteilungen hergestellt, im sogenannten Schlauchsaal wurden von 51 Arbeitnehmern technische Schläuche gefertigt, in der sogenannten Spritzerei mit 40 Arbeitnehmern Spritzartikel produziert und in der Abteilung Spiralschlauch mit 28 Arbeitnehmern Spiralschläuche gefertigt. Daneben existierte mit 28 Arbeitnehmern in … die Abteilung Rex, in der Gummihandschuhe produziert wurden. Der Kläger war in der Abteilung Spiralschlauch eingesetzt. Mit Zustimmung des Gläubigerausschusses führt der Beklagte den Betrieb fort, die mit der Gemeinschuldnerin betrieblich verbundene, rechtlich jedoch selbständige … GmbH, über deren Vermögen ebenfalls am 31.12.1992 das Konkursverfahren eröffnet wurde hat der auch dort zum Konkursverwalter bestellte Beklagte mittlerweile zum 01.03.1993 veräußert. Am 04.02.1993 vereinbarten der Beklagte und der Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan.
Mit Schreiben vom 09.03.1993 (Bl. 4 d. A.) kündigte der Beklagte, nachdem er den Betriebsrat unter dem 26.02.1993 schriftlich hierüber informiert hatte, das Arbeitsverhältnis zum Kläger zum 30.06.1993 mit der Begründung, eine Personalanpassung sei wegen der existenziellen Krise des Unternehmens unvermeidlich. Die Hauptfürsorgestelle hatte zu dieser Kündigung ihre Zustimmung nicht erteilt. Mit Schreiben vom 02.05.1993 (Bl. 28 d. A.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger vorsorglich erneut aus den gleichen Gründen zum 30.09.1993, nachdem die Hauptfürsorgestelle ihre Zustimmung zur Kündigung erteilt hatte.
Mit seiner am 19.03.1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger zunächst gegen die Kündigung vom 09.03.1993 mit den Anträgen:
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 09.03.1993 zum 30.06.1993 nicht aufgelöst ist, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus ungekündigt fortbesteht;
- (für den Fall des Obsiegens gem. Ziff. 1.): die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen;
und der aus der Klageschrift (Bl. 1/2 d. A.) ersichtlichen und hiermit in Bezug genommenen Begründung gewandt. Nachdem der Beklagte im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens mitgeteilt hatte, die Kündigung vom 09.03.1993 sei mangels vorheriger Zustimmung der Hauptfürsorgestelle unwirksam erweiterte der Kläger seine Klage mit einem am 28.12.1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz dahingehend, daß nunmehr beantragt werde,
festzustellen daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Kündigung vom 09.03.1993 zum 30.06.1993 noch durch die Kündigung vom 12.05.1993 zum 30.09.1993 aufgelöst ist, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus ungekündigt fortbesteht.
Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei sozialwidrig. Dringende betriebliche Erfordernisse, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstünden, seien nicht gegeben, die Sozialauswahl sei falsch durchgeführt worden, die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung we...