Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Berufung bei Änderung des Grundes für die Forderung eines 13. Monatseinkommens
Leitsatz (amtlich)
Eine Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, wenn der Kläger den in erster Instanz verfolgten Streitgegenstand (13. Monatseinkommen aus betrieblicher Übung) nicht mehr verfolgt, sondern mit ihr nur noch und erstmals einen Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt darauf stützt, andere Arbeitnehmer hätten einen solchen aus einem gekündigten nachwirkenden Tarifvertrag und es bestehe insofern ein Anspruch auf Gleichbehandlung.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2, §§ 511, 522 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Entscheidung vom 24.07.2015; Aktenzeichen 3 Ca 31/15) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 24. Juli 2015 - 3 Ca 31/15 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um ein 13. Monatseinkommen für das Jahr 2014.
Der Beklagte ist nach dem Insolvenzeröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 1. März 2016 (Bl. 87 d. A.) Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma A (künftig: Schuldnerin).
Der Kläger ist seit dem 1. August 1990 bei der Schuldnerin als Facharbeiter mit einem Stundenlohn von im Jahre 2014 18,17 € brutto beschäftigt. Seit dem 1. August 2006 ist er Mitglied der Gewerkschaft IG Bau. Die Schuldnerin war ebenfalls tarifgebunden.
Der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 21. Mai 1997 in der Fassung vom 4. Juli 2002 (künftig: TV 13. MOE 2002), in dessen betrieblichen Geltungsbereich gemäß § 1 (2) alle Betriebe fielen, die unter den betrieblichen Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe in der jeweils geltenden Fassung fallen, regelte in § 2 (1) unter der Überschrift" 13. Monatseinkommen":
"Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30. November des laufenden Kalenderjahres (Stichtag) mindestens 12 Monate (Bezugszeitraum) ununterbrochen besteht, haben Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen in Höhe des 93 fachen ihres in der Lohntabelle ausgewiesenen Gesamtstundenlohns."
§ 6 TV 13. MOE 2002 regelte, dass das 13. Monatseinkommen je zur Hälfte zusammen mit der Vergütung für die Monate November des jeweiligen Jahres und April des Folgejahres auszuzahlen ist.
Der TV 13. MOE 2002 wurde zum 30. Juni 2003 gekündigt.
In der Fassung des Tarifvertrags über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 29. Oktober 2003 (künftig: TV 13. MOE 2003) sind in § 1 Abs. 2 aus dem betrieblichen Geltungsbereich die Mitgliedsbetriebe des Baugewerbeverbandes Schleswig-Holstein und der Verbände baugewerblicher Unternehmer Niedersachsen, Hessen und im Lande Bremen ausgenommen. Die Regelung in § 2 (1) S. 1 entspricht der in TV 13. MOE 2002 getroffenen Regelung. Zusätzlich regelt § 2 (1) TV 13. MOE 2003 jedoch, dass durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder, wenn kein Betriebsrat besteht, durch einzelvertragliche Vereinbarung, eine abweichende Regelung getroffen werden kann, wobei ein Betrag von 780 € brutto nicht unterschritten werden darf.
Die Schuldnerin zahlte bis zum Jahre 2001 an alle Mitarbeiter ein 13. Monatseinkommen gemäß den tariflichen Regelungen. In den Jahren 2002-2009 zahlte sie an die gewerblichen Arbeitgeber stets ein 13. Monatseinkommen von jedenfalls 780 € brutto. In den Jahren 2010 und 2011 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung über die Höhe der Zahlung des 13. Monatseinkommens in unterschiedlicher Höhe und in den Jahren 2012 und 2013 zahlte die Schuldnerin allgemein kein 13. Monatsgehalt, im Jahr 2013 zahlte sie allerdings an diejenigen Arbeitnehmer, die es klageweise geltend gemacht hatten.
Unter dem 19. Dezember 2014 machte der Kläger gegenüber der Schuldnerin schriftlich (Bl. 4 d.A.) einen Anspruch iHv. 858,87 € brutto für 2014 geltend und führte dazu aus, auf sein Arbeitsverhältnis fänden wegen Tarifbindung die Vorschriften des Tarifvertrags über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Der Kläger hat zunächst die Auffassung vertreten, ihm stehe aufgrund seiner Tarifbindung aus dem Tarifvertrag in der aktuell geltenden Fassung, also dem TV 13. MOE 2003, für das Jahr 2014 ein 13. Monatseinkommen zu, das am 1. Dezember 2014 zur Hälfte fällig geworden sei und errechnete insofern in seiner Klageschrift zunächst einen Betrag von 858,87 € brutto. Auf den Hinweis der Schuldnerin und erstinstanzlichen Beklagten, dass dieser Tarifvertrag auf sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung finde, da ihr Betrieb nicht in seinen betrieblichen Geltungsbereich falle, hat er ein 13. Monatseinkommen für das Jahr 2014 aus betrieblicher Übung beansprucht. Insofern hat er die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung lägen vor, da die Schuldnerin unstreitig viele Jahre lang ohne Vorbehalt ein 13. Monatseinkommen an die gewerblichen Arbeitnehmer gezahlt habe und ihm stünden daher zumindest 780 ...