Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Der geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH ist regelmäßig abhängig beschäftigt, wenn er über keine Sperrminorität verfügt. Eine selbständige Tätigkeit kommt bei ihm nur in Betracht, wenn die Weisungsunterworfenheit unter die Gesellschafterversammlung in rechtlich zulässiger Form abbedungen ist.
3. Aus der Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts kann nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. Januar 2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 40.289,73 € festgelegt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Klägerin zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Fremd-Geschäftsführerin im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 i.H.v. 40.289,73 € streitig.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Gegenstand die Sanierung und Abdichtung von Bauten aller Art und anderes ist. Alleiniger Gesellschafter der Klägerin ist D. D. mit einem Anteil von 100 % am Stammkapital. Der Alleingesellschafter der Klägerin und die Beigeladene zu 1) sind verheiratet.
Die Beigeladene zu 1) und die Klägerin schlossen am 29. März 2006 einen Anstellungsvertrag beginnend am gleichen Tag. Damit wurden der Beigeladenen zu 1) die Aufgaben einer Geschäftsführerin übertragen mit der Befreiung von den Beschränkungen nach § 181 BGB (§ 2 GF-Vertrag). Es wurde ein Jahresgehalt i.H.v. 4.800 € in gleichen monatlichen Teilbeträgen und die Fortzahlung der Bezüge im Falle der Krankheit oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung für die Dauer von neun Monaten (§ 3 GF- Vertrag) und ein Anspruch auf Jahresurlaub im Umfang von 30 Arbeitstagen (§ 4 GF- Vertrag) vereinbart. Weiter wurde für die Beigeladene zu 1) eine Kündigungsfrist von einem Jahr jeweils zum Schluss des Kalenderjahres (§ 1 (1) GF- Vertrag) und für die Klägerin eine Kündigung nur aus wichtigen Grund vereinbart, auch als wichtiger Grund gelte das Ausscheiden der Beigeladenen zu 1) aus der Gesellschaft (§ 1 (2) GF- Vertrag). Des Weiteren wurde vereinbart, dass Änderung oder Ergänzung des Vertrages der Schriftform bedürfen (§ 5 (2) GF- Vertrag).
Die Klägerin zahlte der Beigeladene zu 1) ein monatliches Gehalt (VwA Bl. 41 ff.) im Zeitraum
März 2008 bis Juni 2008 i.H.v. 797,80 €,
September 2008 bis Oktober 2008 i.H.v. 1.647,80 €,
November 2008 bis Juli 2009 i.H.v. 2.073,00 €,
August 2009 bis Juni 2010 i.H.v. 8.723,00 €,
Juli 2010 bis Dezember 2010 i.H.v. 923,00 €.
Die Beklagte führte bei der Klägerin am 12. November 2012 eine Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 durch. Dabei stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin für die Beigeladene zu 1) im Prüfungszeitraum keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hatte.
Auf die Anhörung der Beklagten zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Fremd-Geschäftsführerin im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2012, trug die Klägerin vor, die Beigeladene zu 1) sei, wirtschaftlich betrachtet als ihre Gesellschafterin anzusehen. Im Rahmen ihrer Sanierung seit 2008 habe die Beigeladene zu 1) für Bankverbindlichkeiten i.H.v. 255.000 € sowie i.H.v. 65.000 € Sicherheiten in Form von Grundschulden auf ihr Wohnungseigentum gestellt. Sie sei von dem Verbot der Selbstkontrahierung nach § 181 BGB befreit. Die Beigeladene zu 1) sei in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin in zeitlicher und räumlicher Hinsicht frei. Ihr seien keine konkreten Vorgaben durch die Gesellschafterversammlung erteilt worden und es habe keine Kontrolle bzw. Überwachung ihrer Tätigkeit gegeben.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 setzte die Beklagte aufgrund der Betriebsprüfung eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 i.H.v. 40.289,73 € fest. Unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (im Wei...