Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Bestimmung der Höhe der Terminsgebühr sowie der Einigungs- bzw Erledigungsgebühr bei mehreren gemeinsam aufgerufenen Verfahren in einem Termin. Kostenfestsetzung. Bedeutung der Angelegenheit. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Synergieeffekt. Einkommens- und Vermögensverhältnisses des Auftraggebers. Zeitraum der Beiordnung eines Anwalts im Wege der Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit ist bei der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG wesentlich auf die Dauer des Termins abzustellen. Bei in einem Termin gemeinsam aufgerufenen Verfahren wird der Arbeits- und Zeitaufwand des Rechtsanwalts dabei auch wesentlich durch die Anzahl der anberaumten Verfahren bestimmt.

2. Im Fall gemeinsam aufgerufener Verfahren in einem Termin ist, ohne konkrete Anhaltspunkte in der Sitzungsniederschrift, grundsätzlich die Gesamtdauer des Termins durch die Anzahl der verhandelten Streitsachen zu teilen und der errechnete Zeitaufwand an einer durchschnittlichen Terminsdauer vor den Sozialgerichten von 30 Minuten zu messen.

3. Die Beurteilung der Höhe einer Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr richtet sich in diesen Fällen grundsätzlich nach den gleichen Kriterien wie die Bestimmung der Höhe der Verfahrensgebühr.

 

Normenkette

RVG § 3 Abs. 1, § 14 Abs. 1, §§ 17, 45 Abs. 1, § 56; VV-RVG Nrn. 1005-1006, 3103, 3106

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 2. Oktober 2013 - S 13 SF 84/13 E - wird abgeändert und die aus der Staatskasse an den Beschwerdeführer zu zahlende Vergütung auf 458,15 € festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung für den der Klägerin nach den Vorschriften der Prozesskostenhilfe beigeordneten Beschwerdeführer.

Im Ausgangsverfahren S 19 AS 1187/09 vor dem Sozialgericht Darmstadt begehrte die Klägerin die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) für den Bewilligungszeitraum vom 1. Februar bis 30. April 2009. Der Beschwerdeführer war bereits im Widerspruchsverfahren für die Klägerin tätig. Mit Beschluss vom 19. März 2012 bewilligte das Sozialgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers mit Wirkung ab dem 14. April 2011. In einem Erörterungstermin am 24. September 2012 wurden die Klageverfahren S 19 AS 1186/09, S 19 AS 1187/09 und S 19 AS 330/11 der Klägerin gemeinsam aufgerufen. Alle drei Verfahren endeten durch einen im Erörterungstermin geschlossenen gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Beklagte zur Übernahme von einem Drittel der zur Rechtsverfolgung in allen drei Verfahren notwendigen Kosten der Klägerin verpflichtete. Der Termin dauerte insgesamt 50 Minuten.

Mit Kostennote vom 21. November 2012 beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 45 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), Gebühren und Auslagen für das Verfahren S 19 AS 1187/09 in Höhe von 690,20 € festzusetzen. Dabei stellte er folgende Rechnung auf:

Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102, 3103 VV RVG

 170,00 €

Terminsgebühr gem. Nr. 3106 VV RVG

 200,00 €

Einigungsgebühr gem. Nr. 1006, 1005 VV RVG

 190,00 €

Post- und Telekommunikationspauschale

gem. Nr. 7002 VV RVG

 20,00 €

Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG

 110,20 €

Summe

 690,20 €

Zugleich zeigte er eine teilweise Erstattung der Kosten durch den Beklagten in Höhe von 207,60 € an.

Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 18. Februar 2013 setzte die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts die Vergütung des Beschwerdeführers auf lediglich 434,35 € fest. Zur Begründung führte sie aus, die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG sowie die Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG seien aufgrund der gemeinsamen Behandlung von drei Klageverfahren im Erörterungstermin nur reduziert anzusetzen. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG sowie die Post- und Telekommunikationspauschale könnten antragsgemäß festgesetzt werden. Der von dem Beklagten bereits angewiesene Betrag in Höhe von 207,60 € sei nach § 59 RVG vollständig anzurechnen.

Hiergegen legte der Beschwerdeführer am 6. März 2013 Erinnerung ein und trug im Wesentlichen vor, die geltend gemachten Gebühren in Höhe der Mittelgebühren seien nicht unbillig.

Der Beschwerdegegner führte im Erinnerungsverfahren aus, die Bestimmung der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG erfolge unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls im Sinne des § 14 Abs. 1 RVG. Dabei orientiere sich die Bestimmung der Terminsgebühr insbesondere nach der Terminsdauer, wobei für eine durchschnittliche Verhandlungsdauer regelmäßig die Mittelgebühr angesetzt werde. Die Wahrnehmung von Mandanteninteressen in kurzen Terminen werde dabei neben dem geringen zeitlichen Umfang der Tätigkeit in der Regel auch als unterdurchschnittlich schwierig angesehen, während umgekehrt lange Verhandlungen als überdurchschnittlich umfangreich und schwierig zu bewerten ...

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