Entscheidungsstichwort (Thema)
Hepatitis als Berufskrankheit
Leitsatz (amtlich)
Eine Hepatitis infectiosa, an der ein Steward der Deutschen Lufthansa in einem tropischen Gebiet erkrankt, kann nicht als Berufskrankheit anerkannt werden.
Normenkette
RVO §§ 548, 550 Abs. 1; Nr. 37 der Anlage zur 6. BKVO; Nr. 44 der Anlage zur 6. BKVO
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.11.1969) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 28. November 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der im Jahre 1936 geborene Kläger, der seit Januar 1962 bei der … als Steward beschäftigt war, erkrankte am 30. Juni 1964 auf dem Flug von Rio de Janeiro nach Dakar (Republik Senegal) an Gelbsucht. In der Unternehmeranzeige über eine Berufskrankheit (BK) wurde angegeben, dass er das Essen im Hotel n___AMPX_’_SEMIKOLONX___XGor (Dakar) eingenommen hatte. Der prakt. Arzt Dr. K., M. D., bescheinigte am 1. September 1964, dass sich der Kläger wegen einer schweren Hepatitis am 4. Juli 1964 in seine Behandlung begeben habe. Nach den vorgelegten Unterlagen eines Arztes aus Dakar sei die Krankheit bereits dort ausgebrochen. In dem für die Beklagte erstatteten Gutachten vom 25. Februar 1965 kamen Prof. Dr. G. und Dr. Z. vom Städtischen Krankenhaus S. zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Kläger um eine inzwischen folgenlos abgeklungene Hepatitis infectiosa gehandelt habe. Die Voraussetzungen zur Anerkennung als BK gem. Nr. 37 der Anlage zur 6. Berufskrankheiten-Verordnung vom 25. April 1961 (6. BKVO) lägen nicht vor, da der Kläger nicht zu dem dort genannten Personenkreis gehöre, desgleichen nicht zur Anerkennung als BK gem. Nr. 44 der Anlage zur 6. BKVO, da eine Tropenkrankheit i.S. der 6. BKVO nicht bestanden habe. Der Landesgewerbearzt in W. vertrat in der Stellungnahme vom 13. April 1965 die gleiche Auffassung.
Gestützt auf diese Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 1965 den Entschädigungsanspruch des Klägers ab. Er gehöre nicht zu dem in Nr. 37 der Anlage zur 6. BKVO genannten Personenkreis. Es liege auch keine Tropenkrankheit i.S. von Nr. 44 der Anlage zur 6. BKVO vor.
Tropenkrankheiten seien hiernach vorwiegend den Tropen und Subtropen eigentümliche Erkrankungen, die infolge der besonderen klimatischen und anderen Verhältnisse dort bevorzugt aufträten. Diese Voraussetzung werde von der Hepatitis infectiosa, die in der ganzen Welt verbreitet sei, nicht erfüllt. Eine derartige Erkrankung bedeute auch dann keine Tropenkrankheit, wenn sie anfällig einmal in den Tropen erworben werde.
Hiergegen hat der Kläger am 12. August 1965 bei dem Sozialgericht Frankfurt a.M. (SG) Klage erhoben. Nach seiner Auffassung sei die Hepatitis infectiosa als BK anzuerkennen. Zur gleichen Zeit wie er selbst seien auch noch andere Angehörige des fliegenden Personals der DLH an Hepatitis infectiosa erkrankt gewesen. Die Gelbsucht habe vom 30. Juni bis Ende Oktober 1964 gedauert. Am 4. Mai 1964 sei er durch den Flughafenarzt Dr. F. gegen Pocken, Cholera, Typhus und Paratyphus A und B geimpft worden. Nach diesen Impfungen habe er sich nicht wohl gefühlt. Im Mai und Juni 1964 habe er mehrwöchige Aufenthalte in Afrika und Südamerika gehabt. Er könne nicht sagen, ob einer der Passagiere an Gelbsucht erkrankt gewesen sei. Der Kläger hat eine ärztliche Bescheinigung des Dr. K., M., vom 3. Dezember 1966 vorgelegt. Nach dessen Ansicht hat bei dem Kläger zweifellos eine Hepatitis infectiosa vorgelegen. Der Kläger habe sich wahrscheinlich in den Tropen angesteckt.
In einer Stellungnahme vom 28. August 1966 führte der Flughafenarzt Dr. F. u.a. aus, bei Flugbegleitern bestünden durch Kontakte in der ganzen Welt so viele Möglichkeiten zur Infektion mit Virushepatitis, dass die Möglichkeit durch eine Tetravaccine-Impfung infiziert worden zu sein, als eine sehr vage Hilfskonstruktion erscheine.
Die Beklagte legte zur Begründung ihrer Auffassung ein Gutachten des Facharztes für innere Krankheiten Dr. Sch. H. vom 15. Oktober 1966 vor. Dieser Arzt weist darauf hin, als Inkubationszeit (Zeitraum zwischen Eindringen der Erreger in den Organismus und dem Auftreten der ersten Krankheitszeichen) einer Virushepatitis sei, gerechnet ab dem Tag der Krankmeldung am 30. Juni 1964, hinsichtlich der epidemischen Form der Zeitraum vom 21. Mai bis 23. Juni 1964 anzusetzen, hinsichtlich einer Serumhepatitis derjenige von etwa Ende Dezember 1963 bis Mitte Mai 1964. Aus den Unterlagen sei keinerlei Hinweis darauf zu erkenn, dass der Kläger innerhalb der Inkubationszeit beruflichen Kontakt mit hepatitiskranken Personen gehabt habe. Es sei “im höchsten Grade” unwahrscheinlich, dass anlässlich der Schutzimpfungen, insbesondere derjenigen am 5. November 1973 und 4. Juni 1964 eine Übertragung von Hepatitisvirus erfolgt sei. Eine BK komme nicht in Betracht, da das Personal von Luftverkehrsgesellschaften nicht unter die Nr. 37 der Anlage 1 zur 6. ...