Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.12.1993; Aktenzeichen S-24/Vg-3496/90) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Dezember 1993 aufgehoben und der Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 3. Mai 1990 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22., 23. und 24. Oktober 1990 verurteilt, den Klägern Hinterbliebenenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz ab dem 1. Juli 1987 zu gewähren.
II. Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger zu 1), 2) und 3) begehren von dem Beklagten Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Die am 18. Mai 1963 geborene Klägerin zu 1) ist die Witwe, die Klägerin zu 2), geboren am 21. Oktober 1984, und der Kläger zu 3), geboren am 17. September 1986, sind die Kinder des am 12. März 1961 geborenen K. L. (Geschädigter). Der Geschädigte wurde am 7. Juni 1987 gegen 2 Uhr morgens durch W. A. P. (Schädiger) durch ein Messer so schwer verletzt, daß er eine halbe Stunde später an innerer Verblutung verstarb.
Am 10. August 1987 beantragten die Kläger Versorgung nach dem OEG bei dem Beklagten. Der Beklagte zog die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main mit dem – rechtskräftigen – Urteil des Landgerichts – Schwurgericht – Frankfurt am Main vom 7. Juni 1988 (– 75 JS 15931/87 KS –) bei, durch das W. A. P. von dem Vorwurf des Totschlags freigesprochen worden war, „da nicht ausgeschlossen werden konnte, daß er die Tat in Ausübung berechtigter Notwehr begangen hat”.
Nach den Feststellungen zum Sachverhalt im Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. Juni 1988 begegnete die Ehefrau des Schädigers am 6. Juni 1987 auf ihrem Heimweg von dem in Zeilsheim gefeierten „Brunnenfest” um etwa 1 Uhr dem Geschädigten und nahm den ihr bis dahin unbekannten Mann mit zu sich nach Hause. Beide standen unter Alkoholeinfluß. Die Blutalkoholkonzentration betrug bei der Ehefrau des Schädigers um 2 Uhr nachts etwa 1,7 Promille, bei dem Geschädigten um dieselbe Uhrzeit 1,74 Promille. Die Ehefrau des Schädigers setzte sich mit dem Geschädigten in das Wohnzimmer, wo sie der Schädiger vorfand, der durch die Rückkehr seiner Frau in das Haus erwacht war. Der energischen Aufforderung des Schädigers, das Haus zu verlassen, kam der Geschädigte wortlos nach, blieb aber geraume Zeit vor dem Haus auf der Straße stehen und sah dabei zur Haustür hin. Nach den Feststellungen des Landgerichts Frankfurt am Main ergab sich sodann folgender Ablauf:
„Nachdem L. das Haus verlassen hatte, kam es zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau zu einer lautstarken Auseinandersetzung. Der Angeklagte machte seiner Frau wegen ihres erneuten Alkoholgenusses Vorwürfe und wollte sie dazu bewegen, mit ihm in das Obergeschoß zu Bett zu gehen… Frau P. wollte der Aufforderung des Angeklagten nicht Folge leisten. Sie war, wie es bei ihr unter Alkoholeinfluß nicht selten war, uneinsichtig, laut und aggressiv. Als der Angeklagte sie packte und sie mit körperlicher Gewalt ins Obergeschoß bringen wollte, wehrte sie sich und ließ sich in den engen, nur 1,10 m breiten und ca. 4 m langen Flur im Erdgeschoß zu Boden fallen. Dabei rief sie auch grundlos um Hilfe. Der Angeklagte gab nunmehr sein Vorhaben, seine Frau zu Bett zu bringen, auf…. Da der Angeklagte seit den Mittagsstunden des vergangenen Tages nichts mehr gegessen hatte und, wie es bei ihm häufig vorkam, nach der gehabten Aufregung ein verstärktes Hungergefühl verspürte, ging er, bevor er wieder in das Schlafzimmer zurückkehren wollte, in die im Erdgeschoß von der Haustür aus gesehen gleich links neben der Eingangstür gelegene Küche. Er nahm dort aus dem Kühlschrank einen rohen Schinken und aus einem auf der Arbeitsplatte stehenden Messerblock ein großes Messer mit ca. 20 cm langer, 4 cm breiter, spitz zulaufender Klinge. Mit diesem Messer wollte er sich von dem im Stück aufbewahrten rohen Schinken eine Portion abschneiden und ein Brot zubereiten. In diesem Augenblick entschloß L. sich, vermutlich wegen der kurz zuvor von Frau P. ausgestoßenen Hilferufe, die so laut waren, daß der im Nebenhaus wohnende und im Bett liegende Zeuge Schließmann sie in seinem Schlafzimmer im 1. Stock gehört hatte, zur Rückkehr in das Haus des Angeklagten. Er klopfte zumindest sehr nachdrücklich an die Eingangstür. Es war inzwischen etwa zwei Uhr nachts.
Der Angeklagte, der nicht mit einer Rückkehr Larischs in sein Haus rechnete, sondern eher annahm, einer seiner zahlreichen Bekannten oder ein Nachbar, der wegen des gerade zu Ende gegangenen Brunnenfestes unterwegs war, und das Licht im Haus gesehen hatte, wolle ihn noch aufsuchen, öffnete die Haustür. Diese ist bedingt durch die geringe Breite des Hauses und des Flurs nur etwa über 1,50 m von der Küchentür entfernt. Der Angeklagte hatte für den kurzen Weg zur Haustür das Messer nicht fortgelegt, sondern hielt es in der rechten Hand, wäh...