Entscheidungsstichwort (Thema)

Streit an der Arbeitsstätte

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Körperverletzung an der Arbeitsstätte steht auch dann in einem ursächlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit, wenn der Streit seine Ursache in dem vermeintlichen Diebstahl eines privaten Werkzeuges hat.

 

Normenkette

RVO § 548

 

Verfahrensgang

SG Fulda (Urteil vom 25.01.1974; Aktenzeichen S-1b/U - 101/72)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 25. Januar 1974 wird, soweit sie zur Gewährung der Hinterbliebenenrente verurteilt worden ist, zurückgewiesen und im übrigen als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Ehefrau des am 19. Dezember 1971 verstorbenen W. B. (B.). Sie begehrt von der Beklagten die Gewährung der Hinterbliebenenentschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der am … 1919 geborene B. war als Dachdecker bei der Firma. H. S. KG in V. am 25. Oktober 1971, seinem letzten Arbeitstag in diesem Unternehmen, der förmlichen Unfallanzeige vom 2. November 1971 zufolge ab 11 Uhr zusammen mit einem anderen Mitarbeiter zum neu errichteten Bau einer Tankstelle gekommen, um dort bei der Abdeckung des Daches mitzuarbeiten. Nach den Angaben seines Arbeitgebers war B. wegen reichlichen Alkoholgenusses nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte. Außerdem hieß es dort weiter, während und nach der Mittagspause habe der an der Arbeitsstätte als verantwortlicher Kolonnenführer eingesetzte Dachdeckergeselle F. (F.) festgestellt, daß sein Schieferhammer abhanden gekommen sei. Dieser sei schließlich unter dem Balkon eines Nachbarhauses in einem privaten Kleidungsstück des B. gefunden worden. F. habe hierauf B. auf dem Dach der Tankstelle zur Rede gestellt und ihm aufgefordert, die Baustelle zu verlassen. Da B. dieser Aufforderung nicht sofort Folge geleistet habe, habe F. ihm einige Schläge ins Gesicht versetzt, wodurch B. mit dem Kopf auf dem Betondachboden der Tankstelle aufgeschlagen sei.

Nach Einweisung in das Städtische Krankenhaus V. stellte der Chefarzt Dr. D. dem Durchgangsarztbericht vom 26. Oktober 1971 zufolge bei dem bewußtlosen B. eine Schädelprellung mit Schädelbasisbruch fest. Am 20. Dezember 1971 berichtete er der Beklagten, daß B. an den Folgen einer am 25. Oktober 1971 erlittenen Contusio cerebri am 19. Dezember 1971 verstorben sei.

Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Juli 1972 die Gewährung von Hinterbliebenenansprüchen ab. Zur Begründung gab sie an: Nach ihren Ermittlungen stehe fest, daß aufgrund des von B. reichlich genossenen Alkohols der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gelöst gewesen sei. Im übrigen beruhe sein Tod auf Verletzungen, die ihre Ursache in privaten Gründen gehabt hätten. Gegen B. sei der Verdacht aufgekommen, daß er auf der Baustelle einen Schieferhammer habe entwenden wollen. Dieser Hammer sei in seinen privaten Kleidungsstücken gefunden worden. Deshalb sei es zu einer tätlichen Auseinandersetzung an der Arbeitsstelle gekommen, so daß kein Versicherungsschutz bestanden habe.

Gegen diesen an sie am 8. Juli 1972 zugestellten Bescheid hat die Klägerin am 11. Juli 1972 bei dem Sozialgericht in Fulda – SG – Klage erhoben.

Das SG hat die Innungskrankenkasse für den Kreis Düsseldorf-Mettmann beigeladen, die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Wuppertal (Az.: 27 Js 1261/71 Strafverfahren gegen F.) beigezogen und mit Urteil vom 25. Januar 1974 die Beklagte verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenbezüge zu gewähren. In dem Urteil, das keinen Ausspruch zur Berufungszulässigkeit enthält, hat es die Rechtsmittelbelehrung dahin erteilt, daß dieses mit der Berufung angefochten werden könne und im übrigen ausgeführt: Der Alkoholkonsum des B. sei nicht so stark gewesen, daß er zur Lösung vom versicherten Unternehmen geführt habe. Es stehe fest, daß B. infolge des Sturzes auf das Tankstellendach verstorben sei. Hierzu sei es aufgrund einer sich unmittelbar aus der Arbeit heraus ergebenden vorangegangenen Auseinandersetzung gekommen. Daß B. den Hammer des F. entwendet habe, sei nicht erwiesen, da hierüber nur Vermutungen der Arbeitskollegen bestünden.

Gegen dieses ihr am 4. März 1974 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. März 1974 Berufung eingelegt.

Es sind im Berufungsverfahren erneut die Akten des Strafverfahrens gegen F. beigezogen worden. Danach sind in polizeilichen Ermittlungsverfahren F. verantwortlich vernommen und seine Arbeitskollegen Ü., S. und K. gehört worden. F. gab an, sein Hammer sei weder bei seinen Arbeiten noch denen des B. gebraucht worden. B. habe ihn morgens nur einmal in die Hand genommen. Er habe den Hammer noch vor der Mittagspause auf dem Tankstellendach gelegt, wo er ihn dann aber vermißt habe. Da kein Fremder auf dem Dach gewesen sei, habe er einen Arbeitskollegen in Verdacht gehabt und von einem solchen erfahren, daß der Hammer a...

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