Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nachforderung von Beiträgen zur privaten Pflegepflichtversicherung. privates Pflegeversicherungsunternehmen. Umfang der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten. Erstattung von Mahnkosten und Verzugszinsen. vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. kein erstattungsfähiger Verzugsschaden
Orientierungssatz
1. Von dem Versicherungsnehmer eines Unternehmens der privaten Pflegeversicherung sind auf Grundlage von §§ 280, 286, 288 BGB verauslagte Mahnkosten zu ersetzen und Verzugszinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Bei vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten handelt es sich nicht um einen im Rahmen von § 286 BGB erstattungsfähigen Verzugsschaden. Dies folgt aus § 193 Abs 4 SGG als lex specialis zu den bürgerlich-rechtlichen Verzugsvorschriften (vgl LSG Celle vom 16.2.2017 - L 15 P 35/16 und LSG München vom 24.11.2005 - L 6 P 49/14 = Die Beiträge Beilage 2016, 103).
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. Mai 2018 insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € verurteilt worden ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beklagten 1/8 seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten. Ansonsten haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zahlung rückständige Beiträge aus einem privaten Pflegeversicherungsvertrag für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 30. November 2016.
Zwischen den Beteiligten besteht ein privater Pflegeversicherungsvertrag mit der Vertragsnummer xxx1, dessen Grundlage die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung (MB/PVV und Tarifbedingungen) sind. Die Beitragsrate betrug ab 1. Januar 2013 monatlich 35,73 € und ab 1. Januar 2015 monatlich 39,95 €.
Seit September 2009 zahlte der Beklagte die fälligen Beiträge nicht mehr. Nach vorangegangenen Mahnungen beantragte die Klägerin darauf am 25. Januar 2017 beim Amtsgericht Coburg den Erlass eines Mahnbescheides, der am 26. Januar 2017 erlassen und dem Beklagten am 31. Januar 2017 zugestellt wurde. Auf den Widerspruch des Beklagten vom 10. Februar 2017 wurde das Verfahren antragsgemäß zur Durchführung des streitigen Verfahrens an das Sozialgericht Darmstadt abgegeben (Eingang der Klage am 7. September 2017).
Die Klägerin hat die Klage, mit der zunächst Beitragsrückstände für die Zeit vom 1. September 2009 bis 30. November 2016 in Höhe von 3.169,13 Euro zzgl. Nebenkosten geltend gemacht wurden, im Verlauf des Verfahrens für die Jahre 2009 bis 2013 zurückgenommen und zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.347,61 € zzgl. Nebenkosten zu zahlen.
Der Beklagte hat vorgetragen, er sei seit Jahren arbeitslos und beziehe Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er sei seit 2010 bei seiner Ehefrau gesetzlich mitversichert im Rahmen der Familienversicherung. Der Beklagte hat vorläufige Bewilligungsbescheide des Landkreises Darmstadt-Dieburg - Kreisagentur für Beschäftigung - über Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Juni 2017 bis 30. Mai 2018 vorgelegt. Aus den Bescheiden geht hervor, dass für den Beklagten im Rahmen des ALG II-Bezugs Versicherungsschutz in der Kranken- und Pflegeversicherung besteht.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. Mai 2018 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1.347,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € und Mahnkosten in Höhe von 6,80 € zu zahlen. Die Klägerin habe einen solchen Anspruch wegen Beitragsrückständen aus dem Pflegeversicherungsvertrag für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 30. November 2016. Eine wirksame Kündigung des Pflegeversicherungsvertrags nach § 205 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sei im streitigen Zeitraum nicht erfolgt. Nach § 205 Abs. 1 Satz 2 VVG seien für eine wirksame Kündigung ein Kündigungsschreiben sowie der Nachweis der Versicherungspflicht notwendig. Werde dieser Nachweis verspätet vorgelegt, so könne das Vertragsverhältnis nach § 205 Abs. 2 Satz 4 VVG erst in dem Monat beendet werden, in welchem der Versicherungspflichtnachweis vorgelegt werde. Vorliegend fehlten sowohl das Kündigungsschreiben wie ein Nachweis über den Eintritt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen (sozialen) Pflege- und Krankenversicherung. Die Nebenforderungen stünden der Klägerin nach § 286 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu und umfassten auch angemessene Mahn- und Inkassokosten. Der Beklagte sei in Verzug geraten, weil er die nach § 8 Abs. 1 MB/PVV zum jeweils Ersten des Monats fälligen Versicherungsbeiträge nicht beglichen habe. Die geltend gemachten Kosten der Rechtsverfolgung (hier: vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren) und die Kosten für die Versendung der Mahnungen bewegten sich in einem angemessenen...