Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.09.1996; Aktenzeichen S-11/V-2924/94) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. September 1996 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der am … 1938 geborene Kläger hat als ausländischer Staatsbürger seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien).
Erstmals am 22. April 1988 beantragte er bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung und trug vor, im Juni 1942 durch die Explosion von liegengebliebenem Kriegsmaterial schwer verletzt worden zu sein. Er sei in seinem Heimatstaat als ziviles Kriegsopfer anerkannt und erhalte dementsprechende Invalidenversorgung. Nach weiteren Ermittlungen erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 5. August 1991 als Schädigungsfolgen
„Narben an der rechten Stirn und hinter dem, linken Ohr mit Hirnprellung-Epilepsie, Narbe am linken Bein”
an und gewährte Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. Zur Begründung führte er u.a. aus, daß die Leistung als sog. „Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 BVG bewilligt werde.
Diesen Bescheid nahm der Beklagte ohne vorherige Anhörung des Klägers mit Aufhebungsbescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Februar 1993 zurück und führte zur Begründung aus, daß der Bewilligungsbescheid rechtswidrig sei, da eine Doppelversorgung gemäß § 7 Abs. 2 BVG unzulässig sei. Der Kläger erhalte bereits Rente als ziviles Kriegsopfer von seinem Heimatstaat und habe deshalb keinen weiteren Anspruch nach dem BVG. Die Aufhebung sei im öffentlichen Interesse geboten. Zugunsten der Interessen des Klägers sei bereits berücksichtigt worden, daß der Grund des Zustandekommens des rechtswidrigen Bescheides allein in der Verantwortung der deutschen Verwaltung liege. Im Rahmen der Ermessensprüfung sei die persönliche Lage des Klägers berücksichtigt worden. Die Höhe der Versorgung des Heimatstaates könne nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, da auf diese wirtschaftlichen Verhältnisse deutsche Verwaltungsentscheidungen keinen Einfluß hätten.
Hiergegen legte der Kläger am 9. März 1993 Widerspruch ein und trug vor, daß die Entziehung von Versorgungsleistungen seiner Ansicht nach rechtswidrig sei. Aufgrund seiner Verletzung und deren Folge hätte er keine „anständige Rente” verdienen können. Er erhalte nur Invalidenrente. Durch Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 1994 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Da den Kläger kein Verschulden an der Rechtswidrigkeit des Bescheides treffe, brauche er die gezahlten Leistungen nicht zurückzuerstatten. Für die Zukunft überwiege jedoch das öffentliche Interesse. Es sei bekannt, daß der Kläger schon in jungen Jahren schwer, geschädigt worden sei und in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Dieser Umstand treffe bei den sozialen Leistungen vielfach zu und könne bei allem Verständnis nicht dazu führen, daß lebenslang fortgeführt werde, was nach dem Gesetz nicht hätte sein dürfen.
Am 19. August 1994 hat der Kläger beim Hessischen Landesamt für Versorgung und Soziales Klage erhoben, die am 22. August 1994 dann beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangen ist. Der Kläger hat vorgetragen, daß er den Widerspruchsbescheid am 29. Mai 1994 erhalten habe und die Ansicht vertrete, daß die Entziehung von Versorgungsleistungen rechtswidrig sei und deshalb nicht hätte erfolgen dürfen. Es gäbe eine Vielzahl von anderen Zivilkriegsopfern, die am gleichen Tage wie er den Antrag auf Versorgung gestellt hätten und nunmehr weiterhin ihre Versorgungsbezüge aus der Bundesrepublik Deutschland erhielten.
Mit Urteil vom 13. September 1996 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es im wesentlichen ausgeführt, eine Aufhebung hätte nur den Voraussetzungen des § 45 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) erfolgen können. Entscheidend sei, daß der Beklagte, von der ihm nach § 45 Abs. 1 SGB X obliegenden Pflicht zur Anwendung sachgemäßen Ermessens keinen Gebrauch gemacht habe. Der Beklagte habe seine Entscheidung nicht auf den individuellen Einzelfall des Klägers abgestellt. Vielmehr weise die Formulierung darauf hin, daß der Beklagte bei seiner Entscheidung gerade nicht die individuellen Verhältnisse des vorliegenden Falles im Auge gehabt habe, sondern solch...