Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 15.11.1994; Aktenzeichen S-3/U-684/93)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. November 1994 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte eine Virushepatitis C-Erkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) festzustellen und zu entschädigen hat.

Der im Jahre 1927 geborene Kläger war seit Oktober 1981 in der P. E. K. in K. einem neurologischen Krankenhaus und klinischen Behandlungszentrum für Parkinsonkranke, als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie im Stationsarztdienst tätig. Dabei hatte er täglich bei vielen Patienten intravenöse Injektionen durchzuführen und Infusionen anzulegen. Am 14. Dezember 1989 stach er sich beim Anlegen einer Infusion bei einer Patientin mit der Kanüle an der Fingerkuppe.

Ab 30. Januar 1990 wurde der Kläger wegen des Verdachts auf ein Pankreaskopfkarzinom mit ausgeprägtem Verschlußikterus und mäßig erhöhten Transaminasen in der Medizinischen Klinik I der Städtischen Kliniken Kassel stationär behandelt. Die Hepatitisserologie ergab einen positiven Nachweis des Anti-HAV-Antikörpers als Zustand nach einer Hepatitis A. Die Hepatitis B-Serologie war negativ. Eine Serologie auf Hepatitis C-Infektion wurde nicht durchgeführt. Am 2. März 1990 erfolgte in der Ch. K. der S. K. K. eine sog. Whipple'sche Operation. Dabei wurden dem Kläger vier Erythrozytenkonzentrate verabreicht, die laut späterer Auskunft des DRK-Blutspendedienstes mit dem 1. Generationstest der Firma O. Anti-HCV negativ getestet worden waren. Der Karzinomverdacht bestätigte sich aufgrund der histologischen Untersuchungsergebnisse nicht. Es wurde eine chronisch vernarbende Pankreatitis mit subakuter Cholezystitis (Entzündung der Gallenblase) und kräftiger extralobulärer Cholestase (Gallenstauung) sowie Einzelnekrosen der Leber diagnostiziert. Die intraoperative Leberpunktion ergab keinen Hinweis auf eine Virushepatitis. Am 3. April 1990 wurde der Kläger entlassen. Nach erneutem Anstieg der Transaminasen und der Cholestaseparameter wurde der Kläger vom 19. April bis 12. Juni 1990 erneut in die M. K. I der S. K. K. aufgenommen. Bei der Untersuchung am Aufnahmetag – 19. April 1990 – wurde laborchemisch der Nachweis von HCV-Antikörpern geführt und der Verdacht auf eine frische Hepatitis C-Infektion geäußert. Vom 25. Juni bis 2. Juli 1980 wurde der Kläger im B.-K. K. wegen septischer Cholangitis (Entzündung der Gallenwege) mit intrahepatischen und subphrenischen Abszeßbildungen behandelt, die am 3. Juli 1990 in der Ch. K. der S. K. K. operativ ausgeräumt wurden. Am 2. Mai 1991 nahm der Kläger seine Arbeit wieder auf.

Im Juli 1990 erstattete die P. E. K. bei der Beklagten Anzeige wegen des Verdachts auf eine BK in Form einer möglicherweise vorliegenden Non-A/Non B-Hepatitis. Auf Anfrage der Beklagten teilte sie mit, daß in den letzten sechs Monaten vor der Erkrankung des Klägers im Krankenhaus keine an Virushepatitis erkrankten Personen behandelt worden seien und der Kläger in dieser Zeit mit derart Erkrankten oder sie betreuenden Personen nicht nachweisbar in Berührung gekommen sei. Bei der am 14. Dezember 1989 behandelten Patientin sei eine Hepatitis anamnestisch nicht bekannt gewesen; pathologische Leberwerte hätten nicht bestanden. Dazu wurden die Krankenunterlagen der Patientin übersandt und ferner mitgeteilt, daß die behandelnde Ärztin etwa ein Jahr später auf telefonische Rückfrage angegeben habe, daß sich bei dieser Patientin auch keine Hepatitis entwickelt habe (Auskünfte vom 16. August 1990 und 17. Februar 1993). Die Beklagte zog ferner die Krankenunterlagen des Klägers und Berichte der behandelnden Ärzte bei. Prof. Dr. P. von der M. K. der S. K. K. äußerte sich dahin, daß eine mögliche Infektion des Klägers durch seinen Arztberuf bei der Untersuchung, Blutentnahme und Betreuung von Patienten sowie durch die intraoperative Gabe von Blutkonserven denkbar sei, wobei gegen letzteres jedoch die relativ kurze Inkubationszeit spreche (Bericht vom 24. September 1990). Dr. B. vom B.-K. K. teilte mit, daß Hinweise auf eine infektiöse Erkrankung des Klägers bzw. eine parallel verlaufende Hepatitis C-Infektion nach dem weiteren Krankheitsverlauf nicht bestanden hätten und der Kläger nicht wegen einer berufsbedingten Infektion oder berufsbedingten Erkrankung behandelt worden sei (Bericht vom 21. Dezember 1990). Auch Dr. F. von der Ch. K. der S. K. K. berichtete, daß eine Beziehung zwischen dem Beruf des Klägers und seiner Erkrankung nicht gesehen worden sei und insbesondere die aufgetretenen intrahepatischen Abszesse als Folge einer chronischen Cholangitis bei distaler Choleduktusstenose zu werten seien. Der den Kläger seit 5. April 1990 behandelnde Internist Dr. H. meinte, daß die Hepatitis C-Infektion eine mögliche berufsbedingte Erkrankung sei (Stellungnahme vom 19. Dezember 1990).

In dem von der Beklagten zunächst...

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