Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anerkennung eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) bzw. einer psychischen Erkrankung als weitere Folge eines Arbeitsunfalls
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge ist eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem anerkannten Diagnosesystem erforderlich unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist.
2. Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) ist ein posttraumatisches Schmerzsyndrom einer Extremität, bei dem die Schmerzen im Vergleich zum erwarteten Heilungsverlauf unangemessen stark sind und die Symptome in der Regel körperfern in der Traumastelle auftreten und sich nicht auf das Innervationsgebiet peripherer Nerven oder Nervenwurzeln beschränken.
3. Nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft treten CRPS-Symptome innerhalb von wenigen Tagen bis maximal zwei Wochen nach einem Trauma auf.
4. Hat sich eine psychische Erkrankung erst Jahre nach dem Arbeitsunfall entwickelt, so ist dieser für deren Entstehen nicht verantwortlich zu machen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 16. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls.
Der 1952 geborene Kläger war als Gas- und Wasserinstallateur beschäftigt und stürzte bei Ausübung dieser Tätigkeit am 10. August 2009 von einer etwa drei bis vier Meter hohen Leiter. Am selben Tag wurde er stationär im Kreiskrankenhaus Weilburg aufgenommen. Ausweislich des Durchgangsarztberichts von Dr. D. vom 10. August 2009 habe der Kläger angegeben, auf einer zusammensteckbaren Leiter in etwa 3,50 m Höhe gestanden zu haben, als diese weggerutscht und der obere Teil der Leiter auf ihn gefallen sei, wobei er etwa 5 Minuten lang nichts habe hören und sehen können und kurz darauf erbrochen habe. Als Erstdiagnosen führte Dr. D. Verdacht auf Fraktur Proc. Coronoideus, Verdacht auf Fraktur Os Trapezoid, Steißbeinfraktur, Prellung von Wirbelsäule, Schädel sowie Thorax an. In seinem Zwischenbericht vom 17. August 2009 führte er aus, insgesamt liege ein komplikationsloser Verlauf vor. Die Computertomographie (CT) des linken Ellenbogens und des linken Handgelenks habe keinen Anhaltspunkt für eine Fraktur am Ellenbogen oder im Bereich der Handwurzelknochen ergeben. Es handele sich um eine nicht verschobene distale Radiusfraktur. Der Kläger sei mit einer Unterarmschiene versorgt worden. Als Diagnosen gab Dr. D. an: Steißbeinfraktur, distale Radiusfraktur links, Wirbelsäulenprellung, Ellenbogenprellung links. Am 18. August 2009 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen.
Am 20. August 2009 fand eine Nachuntersuchung des Klägers bei Dr. D. statt, der in seinem Zwischenbericht vom 21. August 2009 als Diagnosen Steißbeinfraktur, distale Radiusfraktur links, Wirbelsäulenprellung, Ellenbogenprellung links, Commotio cerebri 1. Grades und Verdacht auf Contusio labyrinthi rechts aufführte. Das linke Handgelenk sei in einer dorsalen Krewi-Schiene ruhig gestellt und relativ beschwerdefrei. Rechts habe der Kläger ein Ohrgeräusch mit wechselnder Schwerhörigkeit. Über dem rechten Felsenbein bestehe ein Klopfschmerz. Dr. D. führte in dem Zwischenbericht weiter aus, dass das linke Handgelenk in zwei Ebenen einen achsengerechten Fragmentbestand zeige.
Unter dem 25. August 2009 erstattete der Arbeitgeber des Klägers eine Unfallanzeige gegenüber der Beklagten und gab hierin an, der Kläger sei bei der Demontage von Rohren aus etwa 2,80 m Höhe von der Leiter gefallen.
Am 7. September 2009 wurde der Kläger erneut von Dr. D. nachuntersucht. Im Zwischenbericht vom 10. September 2009 führte dieser aus, dass sich beim Abnehmen der Schiene noch ein geringer Druckschmerz im Handgelenk ergeben habe und die Beweglichkeit gering eingeschränkt sei. Die Beweglichkeit von Finger und Ellenbogen sei frei gewesen. Es hätten weder Schmerzen oder Instabilität noch Hämatomverfärbungen festgestellt werden können. Lediglich über dem Steißbein sei noch ein geringer Schmerz angegeben worden. Die Röntgenaufnahme des linken Handgelenks ohne Schiene habe einen völlig unauffälligen Befund gezeigt. Die Fraktur sei nicht mehr nachweisbar. In einem weiteren Zwischenbericht vom 16. September 2009 legte Dr. D. dar, der Kläger habe noch einen geringen Druckschmerz im Steißbein angegeben, der Ellenbogen sei frei beweglich. Außerdem bestehe noch geringer Handgelenkschmerz links. Die Fingerbeweglichkeit sei regelgerecht, Sensibilitätsstörungen lägen nicht vor. Die Extension/Flexion im Handgelenk links betrage 60-0-60, die Pro-/Supination sei unauffällig. Ausweislich eines Zwischenberichts vom 2. Oktober 2009 gab der Kläger im Rahmen der Nachuntersuchung am 1. Oktober 2009 gegenüber Dr. D. weiterhin...