Entscheidungsstichwort (Thema)

Buchführung für Landwirte. Versicherungspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Landwirt, der nebenberuflich andere Landwirte bei der Buchführung betreut, gehört insoweit nicht der landwirtschaftlichen Unfallversicherung an.

 

Normenkette

RVO § 776

 

Verfahrensgang

SG Fulda (Urteil vom 29.01.1976; Aktenzeichen S 3b/U - 132/74)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 29. Januar 1976 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist selbständiger Landwirt mit einem 24 ha grossen Betrieb. In der Zeit vom 28. April 1970 bis 31. März 1972 betreute er nebenberuflich etwa 30 bis 40 Landwirte in Nordhessen bei ihrer Buchführung als selbständiger Mitarbeiter der Deutschen Buch- und Betriebs-GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, B.. Am 14. Juni 1971 fragte er bei der Beklagten an, ob er mit dieser Tätigkeit bei ihr unfallversichert sei. Nachdem sich zunächst die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft auf eine Antrage der Beklagten dieser gegenüber für zuständig erklärt hatte, erhob erstere – wenn auch unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes – keine Einwendungen mehr gegen die Absicht der Beklagten, die freiberufliche Tätigkeit des Klägers als landwirtschaftliches Lohn- oder Ergänzungsunternehmen bei ihr zu versichern. Mit Schreiben vom 11. Oktober 1972 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie seine nebenberufliche Betreuungstätigkeit von Landwirten mitversichern werde. Mit Bescheid vom 18. Dezember 1973 nahm sie diese Tätigkeit als Nebenbetrieb in das Unternehmerverzeichnis auf und forderte von dem Kläger Beiträge in Höhe von 247,40 DM für die Jahre 1970 bis 1972. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch. Die Beklagte ermässigte daraufhin als Beiträge auf 143,10 DM. Dem Widerspruch wurde mit Bescheid vom 28. Oktober 1974 nicht abgeholfen.

Gegen diesen als Einschreiben am gleichen Tag aufgelieferten Bescheid hat der Kläger am 14. November 1974 bei dem Sozialgericht Fulda (SG) Klage erhoben. Während des Klageverfahrens ermässigte die Beklagte die Beitragsforderung durch Schriftsatz vom 21. Juli 1975 auf 60,– DM.

Das SG hat durch Urteil vom 29. Januar 1976 die Bescheide der Beklagten vom 18. Dezember 1973 und vom 28. Oktober 1974 in der Fassung des Schriftsatzes vom 21. Juli 1975 aufgehoben. Die buchhalterische Tätigkeit des Klägers in den Jahren 1970 und 1972 sei keine spezifisch landwirtschaftliche gewesen; Buchhaltungsarbeiten seien in jedem Betrieb, unabhängig vom Wirtschaftszweig, notwendig.

Gegen das ihr durch Umpfangsbekenntnis am 29. März 1976 zugestellte Urteil hat die Beklagte an 15. April 1976 Berufung eingelegt. Das erstinstanzliche Urteil enge den Kreis der versicherten Unternehmen zu sehr ein, indem es als Voraussetzung eine spezifisch, landwirtschaftliche Tätigkeit fordere. Es könne keinem Zweifel unterliegen dass landwirtschaftliche Buchführungsarbeiten zum landwirtschaftlichen Unternehmen gehörten, da sie ohne das Unternehmen nicht verrichtet würden und auch für dieses von Bedeutung seien. Sie gehörten dem kaufmännisch-verwaltenden Teil an und unterlägen somit dem Schutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Eine Dienstleistungseinrichtung sei dann dem Wirtschaftsbereich „Landwirtschaft” zuzurechnen, wenn sie ausschliesslich oder überwiegend im oder für den landwirtschaftlichen Produktionsbereich tätig sei. Die Beschränkung auf eine spezifisch landwirtschaftliche Tätigkeit werde dem heutigen Charakter der Landwirtschaft nicht gerecht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Fulda vom 29. Januar 1976 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide vom 18. Dezember 1973 und vom 28. Oktober 1974 in der Fassung des Schriftsatzes vom 21. Juli 1975 abzuweisen.

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt sinngemäss

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.

Die Berufung ist nicht bereits deshalb begründet, weil die Beklagte die Unternehmereigenschaft des Klägers als Buchführungshelfer rechtsverbindlich festgestellt hat. Mit Schreiben vom 11. Oktober 1972, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, teilte sie ihm zwar mit, dass sie die von ihm nebenberuflich ausgeübte Betreuung der Landwirte bei ihrer Buchführung in Mitversicherung nehmen werde und der Kläger legte hiergegen innerhalb eines Jahres (§ 66 Abs. 2 SGG) keinen Rechtsbehelf ein. Dieses Schreiben stellt jedoch keinen Verwaltungsakt dar. Sein Wortlaut ist nämlich im Futurum abgefasst und in seinem Inhalt nicht bestimmt genug, so dass er keine abschliessende Regelung dieses Falles enthält, zumal auch noch nach dem Beginn der Betreuung der Landwirte gefragt worden war. Vielmehr sollte dieses Schreiben erkennbar nur der Ankündigung und Vorbereitung einer durch einen ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge