Orientierungssatz

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. November 1994 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.11.1994; Aktenzeichen S-11/V-2750/93)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. November 1994 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) im Verfahren nach § 45 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X).

Der am … 1933 geborene Kläger lebt als kroatischer Staatsbürger in der Republik Kroatien, der früheren Teilrepublik der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien (SFRJ). Der Kläger erlitt im September 1944 bei einer Explosion schwere Verletzungen und verlor das Augenlicht. Er beantragte erstmals am 6. Juni 1988 beim Versorgungsamt Fulda die Gewährung von Beschädigtenversorgung und gab an, als 11-jähriges Kind in dem Ort B. auf der Insel K. bei der Munitionsbeseitigung während des 2. Weltkrieges durch eine Explosion schwer verletzt worden zu sein. Er habe ein Auge sowie das Sehvermögen des anderen und auch Finger der linken Hand verloren. Wegen dieser Schädigung erhalte er seit 1968 (Bescheid vom 25. Dezember 1968) Versorgung als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatstaat (SFRJ bzw. Kroatien). Zur weiteren Begründung fügte der Kläger ärztliche Unterlagen, Bescheide sowie einen Zahlungsbeleg von September 1988 über seine Rente als ziviles Kriegsopfer bei. Nach weiteren Ermittlungen erkannte das Versorgungsamt Fulda mit Bescheid vom 25. Januar 1991 die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen „Verlust des rechten und Erblindung des linken Auges; Verlust des 2. und 3. Fingers sowie des 2. Mittelhandknochens der linken Hand; Deformierung und Bewegungseinschränkung des 4. und 5. Fingers der rechten Hand; Narbenbildung an der rechten Hand”) als Schädigungsfolgen nach dem BVG an und gewährte ihm Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H.. Zur Begründung wurde in dem Bescheid u.a. ausgeführt, daß die Leistung als sog. „Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 BVG zuerkannt werde. Der Kläger erhielt zuletzt ab Juni 1991 Grundrente (MdE von 100), Schwerstbeschädigtenzulage (Stufe 2) und Pflegezulage (Stufe 3) im Gesamtbetrag von monatlich 837,00 DM.

Den Bescheid vom 25. Januar 1991 nahm das Versorgungsamt Fulda ohne vorherige Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung zum 1. Februar 1993 zurück. Zur Begründung führte es aus, der Bewilligungsbescheid sei rechtswidrig gewesen, da der Kläger wegen derselben Ursache einen Anspruch auf Zivil-Invalidenrente gegenüber seinem Heimatstaat habe. Gemäß § 7 Abs. 2 BVG aber sei eine solche Doppelversorgung ausgeschlossen. Da diese gesetzliche Bestimmung bei Erteilung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides nicht beachtet worden sei, sei dieser Bescheid rechtswidrig gewesen. Seine Rücknahme setze zwar voraus, daß das Interesse des Bürgers an der Aufrechterhaltung des Vorteils nicht höher zu bewerten sei, als das öffentliche Interesse des Staates und der Allgemeinheit an der Beseitigung der Rechtswidrigkeit eines Bescheides. Die Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides sei aber aus öffentlichem Interesse geboten. Es sei dabei zugunsten der Interessen des Klägers berücksichtigt worden, daß der Grund für das Zustandekommen des rechtswidrigen Bescheides allein im Verantwortungsbereich der deutschen Verwaltung liege. Hieraus allein ergebe sich jedoch nicht die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers in den Bestand des Bescheides. Im Rahmen der gebotenen Ermessensprüfung sei auch die persönliche Situation des Klägers gewürdigt worden; die niedrige Höhe der Versorgung im Heimatstaat könne jedoch nicht zu einer Ausübung des Ermessens zu seinen Gunsten führen, weil deutsche Verwaltungsentscheidungen keinen Einfluß auf die wirtschaftlichen Verhältnisse im Heimatstaat des Klägers haben könnten. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 24. Februar 1993 (Eingang am 6. März 1993) Widerspruch und machte geltend, daß er aufgrund seiner schweren Behinderung zwar einen Beruf habe erlernen und ausüben können, sein Einkommen aber gering geblieben und entsprechend seine Altersrente, die er zwischenzeitlich erhalte, niedrig sei. Der Entzug der Versorgungsleistungen aus der Bundesrepublik Deutschland würde für ihn und seine Familie, zu der seine Frau und zwei noch im Haushalt der Eltern lebende Kinder gehören, die Armut bedeuten. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 1993 wies der Beklagte den Widerspruch a...

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