Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Darmstadt vom 14.12.1995 - L 5 V 1221/94, das vollständig dokumentiert ist.

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.01.1995; Aktenzeichen S-11/V-3063/93)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 1995 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) im Verfahren nach § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X).

Der 1933 geborene Kläger ist in der früheren Teilrepublik der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) Bosnien-Herzegowina (BiH) aufgewachsen und hat seinen Wohnsitz nunmehr in der Republik Kroatien. Der Kläger wurde als 10jähriges Kind am 6. April 1944 bei einem Luftangriff auf die Baustelle des Flughafens Z. bei B.-L. (BiH) schwer verletzt. Er ist deshalb seit Juli 1975 in Kroatien als ziviles Kriegsopfer anerkannt und bezieht Rente.

Erstmals am 12. Oktober 1989 beantragte er beim Versorgungsamt Fulda die Gewährung von Beschädigtenrente und gab an, während des 2. Weltkrieges für Offiziere auf dem im Bau befindlichen Flugplatz Z. tätig gewesen und bei einem Luftangriff schwer geschädigt worden zu sein. Ihm habe der linke Arm im Oberarm amputiert werden müssen. Wegen dieser Schädigung erhalte er seit 1975 in Kroatien eine Rente als ziviles Kriegsopfer, wobei zunächst eine Invalidität von 90 % und ab Mai 1979 (Bescheid vom 21. Mai 1979) eine Invalidität von 100 % angenommen wurde. Der Kläger legte den Bescheid vom 21. Mai 1979 und den Zahlungsnachweis über die ihm gewährte Rente vom 22. November 1989 sowie ärztliche Unterlagen, Zeugenaussagen und Bescheinigungen vor. Nach weiteren Ermittlungen und aktenmäßigen ärztlichen Äußerungen des HNO-Arztes Dr. Z. (vom 18. Februar 1991) und des Chirurgen Dr. … (vom 12. März 1991) erkannte das Versorgungsamt Fulda mit Bescheid vom 19. Juni 1991 die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen (“Verlust des linken Armes im Oberarm; Schwerhörigkeit links nach Bombenexplosion; Narbe in der linken Oberschenkel-Gesäßgegend”) als Schädigungsfolgen an mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v.H. und gewährte ab 1. September 1991 Beschädigtenversorgung in Höhe von DM 290,-/Monat. Durch Bescheid vom 3. Juni 1992 wurde die Zahlung gemäß dem 20. KOV-Anpassungsgesetz nach § 48 SGB X auf 299,-/Monat erhöht. In dem die Beschädigtenrente bewilligenden Bescheid wurde zur Begründung u.a. ausgeführt, daß die Leistung als sog. “Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 BVG zuerkannt werde.

Diesen Bescheid nahm das Versorgungsamt Fulda ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Rücknahmebescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung vom 1. Februar 1993 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bewilligungsbescheid sei rechtswidrig gewesen, da der Kläger wegen derselben Ursache einen Anspruch auf Rente als ziviles Kriegsopfer gegenüber seinem Heimatstaat habe. Gemäß § 7 Abs. 2 BVG aber sei eine Doppelversorgung ausgeschlossen, was bei Erteilung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides nicht beachtet worden sei, weshalb dieser Bescheid rechtswidrig gewesen sei. Seine Rücknahme setze zwar voraus, daß das Interesse des Bürgers an der Aufrechterhaltung des Vorteils nicht höher zu bewerten sei, als das öffentliche Interesse des Staates und der Allgemeinheit an der Aufhebung eines rechtswidrigen Bescheides. Die Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides sei aber aus öffentlichem Interesse geboten. Es sei zugunsten der Interessen des Klägers berücksichtigt worden, daß der Grund für das Zustandekommen des rechtswidrigen Bescheides allein im Verantwortungsbereich der deutschen Verwaltung liege. Hieraus allein ergebe sich jedoch noch nicht die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers in den Bestand des Bescheides. Im Rahmen der gebotenen Ermessensprüfung sei die persönliche Situation des Klägers gewürdigt worden. Die niedrige Höhe der Versorgung im Heimatstaat könne nicht zu einer Ausübung des Ermessens zugunsten des Klägers führen, weil deutsche Verwaltungsentscheidungen keinen Einfluß auf die wirtschaftlichen Verhältnisse im Heimatstaat des Klägers haben könnten.

Gegen den am 11. Januar 1993 mit einfachem Brief abgesandten Bescheid hat für den Kläger die beeidigte Dolmetscherin und zugleich von ihm bevollmächtigte (Vollmacht und Beglaubigung vom 10. April 1993) Rechtsanwältin Frau V. V. den am 17. April 1993 eingegangenen Widerspruch erhoben. Darin wird u.a. geltend gemacht, daß sich seit Erlaß des Bewilligungsbescheides der Gesundheitszustand des Klägers in Folge der Verwundung aus dem 2. Weltkrieg wesentlich verschlechtert habe. Weiter hat der Kläger geltend gemacht, “als deutscher Soldat” für deutsche Offiziere am Bauplatz des F...

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