Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Erfolg des Widerspruchs. Kausalität zwischen Widerspruch und positiver Entscheidung. nachträgliche Erfüllung von Mitwirkungspflichten

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Widerspruch ist nicht erfolgreich iS des § 63 Abs 1 S 1 SGB X, wenn sich während des Widerspruchsverfahrens die Sachlage ändert und nur aufgrund der veränderten Sachlage eine für den Betroffenen günstige Entscheidung getroffen werden konnte.

 

Orientierungssatz

1. Ein Widerspruch ist nur dann erfolgreich iS des § 63 Abs 1 S 1 SGB 10, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde auch eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht (vgl BSG vom 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 13, vom 17.10.2006 - B 5 RJ 66/04 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 5, vom 25.3.2004 - B 12 KR 1/03 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 1 und vom 21.7.1992 - 4 RA 20/91 = SozR 3-1300 § 63 Nr 3).

2. Eine solche ursächliche Verknüpfung besteht nicht, wenn erst die nachträgliche Erfüllung von Mitwirkungspflichten während des Widerspruchsverfahrens eine positive Entscheidung für den Widerspruchsführer ermöglicht hat (vgl BSG vom 21.7.1992 - 4 RA 20/91 aaO).

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. März 2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Beklagte die Kosten des Widerspruchsverfahrens (einschließlich der Kosten eines Bevollmächtigten) zu tragen hat.

Die Klägerin hat die griechische Staatsangehörigkeit. Am 18. Oktober 2013 (Bl. 190 der Verwaltungsakte) stellte sie einen Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) beim Beklagten, nachdem der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 9. August 2013 (Bl. 187 der Verwaltungsakte) bis zum 30. November 2013 entsprechende Leistungen bewilligt hatte. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2013 (Bl. 192 der Verwaltungsakte) lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Am 12. Dezember 2013 (Bl. 193 der Verwaltungsakte) stellte die Klägerin einen Antrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf Überprüfung dieses Bescheides, der mit Bescheid vom 12. Dezember 2013 (Bl. 194 der Verwaltungsakte) abgelehnt wurde. Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom 19. Dezember (Bl. 195, 197 der Verwaltungsakte) Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2014 (Bl. 200 der Verwaltungsakte) als unbegründet zurückgewiesen wurde. Anschließend erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (S 29 AS 117/14).

Am 4. Februar 2014 (Bl. 228 der Verwaltungsakte) stellte die Klägerin, nachdem die 29. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt in einem Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes den Beklagten für die Zeit vom 19. Dezember 2013 bis zum 28. Februar 2014 verpflichtet hatte, vorläufig Leistungen zu erbringen (S 29 AS 1836/13 ER, Bl. 205 der Verwaltungsakte), erneut einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab dem 1. März 2014 (Bl. 216 der Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 25. Februar 2014 (Bl. 228 der Verwaltungsakte) lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Er gab an, dass der Leistungsausschluss gem. § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB II greife, da sich die Klägerin nur zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalte. Mit Schreiben vom 24. März 2014 (Bl. 229 der Verwaltungsakte) legte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Sie führte an, dass die Klägerin, nachdem sie bereits vom 18. September 2012 bis zum 30. Juni 2013 bei den Eheleuten C. gearbeitet habe, erneut ab dem 1. April 2014 von Herrn C. allein als Reinigungskraft beschäftigt werde. Der Arbeitsvertrag sei bereits mündlich abgeschlossen. Sie werde 10 Stunden wöchentlich für 350 Euro im Monat arbeiten. Außerdem verstoße der Leistungsausschluss für die Zeiträume, in denen die Klägerin sich lediglich zur Arbeitssuche in Deutschland aufgehalten habe, gegen Europarecht. Mit Schreiben vom 2. April 2014 übersandte die Prozessbevollmächtigte den Arbeitsvertrag vom 1. April 2014 (Bl. 239 der Verwaltungsakte). Daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Mai 2014 (Bl. 243 der Verwaltungsakte) der Klägerin vorläufig Leistungen für die Zeit vom 1. April bis zum 31. August 2014. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2014 (Bl. 236 der Verwaltungsakte) wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 25. Februar 2014 unter Verweis auf den Bewilligungsbescheid vom 13. Mai 2014 als unbegründet zurück. Er führte u.a. aus, dass der Bescheid vom 13. Mai 2014 Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden sei und die Klägerin für die Monate Februar und März 2014 weiterhin keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Eine Erstattung der ggf. entstandenen notwendigen Aufwendungen sei nicht möglich.

Am 3. ...

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