Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung der Vergütung für stationäre Pflegeleistungen durch die Schiedsstelle
Orientierungssatz
1. Kommt zwischen dem Träger des Pflegeheimes und der Pflegekasse oder einem sonstigen Sozialversicherungsträger als Vertragsparteien der Pflegesatzvereinbarung innerhalb von sechs Wochen nach Aufforderung einer Vertragspartei, die Pflegesätze unverzüglich festzusetzen, eine Pflegesatzvereinbarung nicht zustande, so hat die Schiedsstelle auf Antrag einer Vertragspartei die Pflegesätze unverzüglich festzusetzen.
2. Die von der Schiedsstelle festzusetzenden Pflegesätze müssen leistungsgerecht sein und es dem Pflegeheim ermöglichen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen. Der Grundsatz der Beitragsstabilität ist zu beachten. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich auf die Beachtung zwingenden Gesetzesrechts durch die Schiedsstelle und darauf, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren erfolgt ist.
3. Die Schiedsstelle hat die für die Höhe einer leistungsgerechten Vergütung maßgeblichen Faktoren zu ermitteln und die prospektiven Selbstkosten des Einrichtungsträgers anhand der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit zu bewerten. Auf dieser Grundlage ist eine leistungsgerechte Vergütung zu ermitteln.
4. Der Schiedsspruch muss eine Entscheidung über einen Wagniszuschlag enthalten, wenn eine Vertragspartei dies beantragt. Der Wagniszuschlag hat wesentliche Bedeutung für die Gesamtkalkulation des Pflegeheimes.
5. Für die Festsetzung einzelner Parameter zur Berechnung der Pflegevergütung durch die Schiedsstelle gibt es keine Rechtsgrundlage. Ist der Schiedsspruch nicht ermessensfehlerfrei zustandegekommen, so ist dessen Teilaufhebung ausgeschlossen, weil die leistungsgerechte Vergütung des Pflegeheimes nur im Rahmen einer Gesamtabwägung aller insoweit maßgebenden Umstände getroffen werden kann.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 21. April 2004 abgeändert. Die Schiedsstellenbeschlüsse vom 4. Februar 2002 und 11. Juni 2002 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, über den Vergütungsanspruch der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 2.) tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte, die Kosten der 2. Instanz trägt die Beklagte allein.
Der Streitwert wird auf 119.264,07 € festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Schiedsspruch über Vergütungen für stationäre Pflegeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).
Die Klägerin, die in A-Stadt ein Pflegeheim mit insgesamt 112 Plätzen betreibt, rief am 21. Februar 2001 die beklagte Schiedsstelle an. Mit ihrer Antragsbegründung vom 22. Juni 2001 begehrte sie die Festsetzung höherer Pflegevergütungen (Pflegeklasse I: 81,05 DM statt bisher 70,98 DM; Pflegeklasse II: 113,46 DM statt 99,38 DM; Pflegeklasse III: 145,88 DM statt 127,77 DM; Entgelt Unterkunft/Verpflegung: 31,05 DM statt 28,93 DM). Als Streitpunkte mit den Kostenträgern benannte die Klägerin die erforderlichen Personalmengen im Bereich der Pflege/Betreuung und die Jahreskosten je Vollzeitkraft (Mehrforderung 286.850,00 DM), die Personalmenge im Bereich der Verwaltung und die Jahreskosten je Vollkraft (Mehrforderung 62.610,00 DM), die Personalmenge bei den Reinigungskräften und die Jahreskosten je Vollkraft (Mehrforderung 65.560,00 DM) sowie eine Mehrforderung beim Lebensmitteleinsatz (18.028,00 DM) und beim Wirtschafts- und Verwaltungsbedarf (20.832,00 DM). Unter zusätzlicher Berücksichtigung eines unternehmerischen Wagnisses von 2 % errechnete sie hieraus die geltend gemachten Pflegesätze. Demgegenüber lautete das Angebot der Kostenträger auf 72,00 DM (Pflegeklasse I), 100,80 DM (Pflegeklasse II), 129,69 DM (Pflegeklasse III) und 28,13 DM (Entgelt Unterkunft/Verpflegung). Die geltend gemachten erheblichen Kostensteigerungen des Pflegeheims seien nicht begründbar, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Einrichtung bereits zu den teuersten im Wetteraukreis gehöre. Der Einrichtung sei es möglich, mit weniger Personal (37,6 Vollzeitkräfte statt der geforderten 40,26 Vollzeitkräfte) auszukommen. Statt der geforderten 72.500,00 DM Durchschnittsgehalt pro Mitarbeiter im Pflege- und Betreuungsbereich sei ein Betrag von 70.000,00 DM angemessen. Auch beim Hauswirtschaftsdienst, beim Verwaltungsdienst, beim Verwaltungs- und Wirtschaftsbedarf und bei den Aufwendungen für Lebensmittel müssten niedrigere Kostenansätze gefunden werden. Das unternehmerische Risiko der Klägerin sei mit den Gesamtkosten der Kalkulation bereits abgedeckt.
Nach mündlicher Verhandlung setzte die Schiedsstelle mit Beschluss vom 11. September 2001 das Verfahren aus und gab den Parteien auf, weitere Verhandlungen zu führen. Der Beschluss wies darauf hin, dass die Ermittlungen des erforderlichen Pflege- und Betreuungspersonals unter angemessener Berücksicht...