Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachdienlichkeit einer Klageänderung. Ermessen. Unzulässigkeit einer Feststellungsklage. hier: Streit über Ersatz der Kosten für gerichtliche Geltendmachung von Krankenhausvergütung. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 1 KR 3/18 R

 

Orientierungssatz

1. Eine Klageänderung kann als sachdienlich angesehen werden, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, sodass ein neuer Prozess vermieden wird oder dadurch weitere noch anhängige Streitigkeiten erledigt oder weitgehend mitentschieden werden. Gegen die Sachdienlichkeit der Klageänderung spricht hingegen, wenn sie dazu führt, dass der Rechtstreit auf völlig neue Grundlage gestellt wird oder wenn über die geänderte Klage mangels Prozessvoraussetzung sachdienlich nicht entschieden werden könnte (vgl BSG vom 23.3.1993 - 4 RA 39/91).

2. Eine Feststellungsklage darf nicht zur Umgehung anderer rechtlicher Vorgaben, insbesondere der Bindungswirkung von Urteilen oder Verwaltungsakten benutzt werden.

3. Eine Feststellungsklage ist unzulässig, wenn bereits im Rahmen einer anhängigen Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die der begehrten Feststellung zugrunde liegen, ohne dass ein weitgehendes Feststellungsinteresse besteht.

4. Zum Streit über den Ersatz der Kosten für die gerichtliche Geltendmachung der Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.04.2019; Aktenzeichen B 1 KR 3/18 R)

 

Tenor

I. Der im Wege der Klageerweiterung gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden, welche ihr durch und im Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen (SG Kassel, S 12 KR 250/12) und zweitinstanzlichen (Hess LSG, L 8 KR 400/14) Gerichtsverfahren entstanden sind oder noch entstehen werden, zu erstatten, wird als unzulässig verworfen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht der Ersatz der Kosten für die gerichtliche Geltendmachung der Rückzahlung der Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung.

Die bei der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte C. (C.) befand sich vom 6. bis 20. November 2008 in vollstationärer Behandlung u.a. zur Anlage eines ventrikuloperitonealen Shunts in der Neurochirurgischen Abteilung der Beklagten. Diesbezüglich stellte die Beklagte am 16. Dezember 2008 gegenüber der Klägerin eine Rechnung über den Betrag von insgesamt 12.457,19 € auf der Grundlage der DRG BO2D, wobei von ihr u.a. erlösrelevant die Nebendiagnosen F01.1 und N30.0 kodiert wurden. Die Rechnung wurde durch die Klägerin zunächst voll beglichen. Zugleich beauftragte die Klägerin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Rechnungsprüfung. Dieser gelangte in einer Stellungnahme nach Aktenlage vom 5. Februar 2009 zu dem Ergebnis, dass die Kodierung der vorgenannten Nebendiagnosen nach der ICD-10 nicht nachvollziehbar sei. In Ansatz zu bringen sei insoweit allein die Nebendiagnose F03. Daraufhin teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 23. Februar 2009 mit, dass die vorgenannte Rechnungsstellung statt nach der DRG BO2D nach der DRG B20E vorzunehmen gewesen wäre, woraus unter Berücksichtigung der Abschläge eine um 4.655,11 € geringere Zahlungsverpflichtung resultiere. Gleichzeitig forderte die Klägerin die Beklagte auf, den überzahlten Betrag bis zum 23. März 2009 zurückzuzahlen. Dem kam die die Beklagte anschließend nicht nach.

Am 16. Juli 2009 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht in Kassel auf Zahlung von 4.655,11 € zzgl. Zinsen erhoben. Das Sozialgericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst die Patientenakte beigezogen. Nach der durch die Klägerin veranlassten Auswertung durch den MDK hat dieser die Nebendiagnose N30.0 nunmehr als bestätigt gesehen, weiterhin jedoch nicht die Nebendiagnose F01.1. Folglich könne die Behandlung unverändert allein nach der DRG B20E abgerechnet werden. Die Beklagte hat anschließend an ihrer Rechnung festgehalten. Daraufhin hat das Gericht ein Gutachten bei dem Oberarzt und Leiter der Abteilung Medizincontrolling der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt/Main Dr. D. vom 24. September 2013 eingeholt. Danach sei die streitige Abrechnung im Ergebnis zu Recht auf der Grundlage der DRG BO2D erfolgt. Zwar sei die Nebendiagnose F01.1 nicht durch die Behandlungsdaten nachgewiesen. Allerdings seien zur Nebendiagnose N30.0 zusätzlich die bislang noch nicht in Ansatz gebrachten Nebendiagnosen B95.2! und U80.4! jeweils noch erlösrelevant zu kodieren. Hierdurch verbleibe es auch ohne Kodierung der Nebendiagnose F01.1 weiterhin bei der DRG BO2D. Nach Einwänden der Klägerin hat der Sachverständige in einer hierzu eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 2. März 2014 am Ergebnis seine...

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