Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 22 Abs. 1 WEG, § 23 Abs. 1 WEG, § 306 BGB, § 27 S. 1 FGG
Kommentar
1. In einer Beschlussfassung ging es um eine nachträgliche Hauseingangsüberdachung mit der Ergänzung, dass "der Beirat darauf zu achten habe, dass Art und Material dem Haus angepasst werden, keine Lärmbelästigung entsteht, die danebenliegende Wohnung (die Wohnung des Antragstellers) nicht benachteiligt wird und die Kosten dafür DM 5.000,- nicht überschreiten".
Mit dem Eingangsdach sollte ein Schutz gegen Feuchtigkeit (Schnee, Nässe) und herabfallende Gegenstände (vor allem Eis) geschaffen werden. Der Antragsteller (der dem Beschlussantrag ebenfalls zustimmen ließ und der ihn nicht angefochten hatte) forderte dann die Beseitigung des errichteten Plexiglasdaches unter Hinweis auf Lichtentzug, Hitzestau und Ansammlung von Insekten vor seinem Küchenfenster.
Während des Prozesses genehmigte dann in neuerlichem Beschluss die Gemeinschaft nochmals "einstimmig das angebrachte Vordach als optimale Lösung in jeder Hinsicht für alle Beteiligten im Sinne des Beschlusses".
2. Da § 22 Abs. 1 S. 1 WEG nach h. R. M. abdingbar ist, kann eine bauliche Veränderung grds. auch mit Stimmenmehrheit beschlossen werden; ein solcher Beschluss wird rechtlich verbindlich, wenn er nicht über rechtzeitige Anfechtung für ungültig erklärt wird. Wirksam beschlossene bauliche Veränderungen sind dann auch von allen Eigentümern hinzunehmen. In richtiger Auslegung des vorliegenden Beschlusses hat sich jedoch ergeben, dass für den Antragsteller durch die Gestaltung der Eingangsüberdachung ein Nachteil entstand. Sollte eine andere Lösung, die den Antragsteller nicht nur ganz unerheblich benachteiligt, nicht möglich sein, so hätte der Eigentümerbeschluss einen tatsächlichen unmöglichen und damit unvollziehbaren Inhalt und wäre aus diesem Grund nichtig.
Auch nachträgliche Genehmigungsbeschlüsse baulicher Veränderungen werden grundsätzlich mangels fristgemäßer Anfechtung verbindlich. Der zweite Beschluss enthielt jedoch keine Genehmigung der mit der Anbringung des Vordaches verbundenen nachteiligen baulichen Veränderung. Nach objektiver Auslegung dieses zweiten Beschlusses (möglich auch durch das Rechtsbeschwerdegericht), muss der Inhalt eines solchen Beschlusses für den Adressaten klar erkennbar sein, soll hierdurch einem Eigentümer eine Pflicht konstitutiv auferlegt oder soll seine Rechtsstellung auf Dauer durch die Beschlussfassung verschlechtert werden. Nur dann ist es gerechtfertigt, ihn ohne Rücksicht auf die zuvor bestehende Rechtslage an dem Eigentümerbeschluss festzuhalten, wenn er die Anfechtungsfrist verstreichen lässt. Im vorliegenden Fall enthielt der zweite Beschluss keine konstitutiv wirkende Genehmigung der baulichen Veränderung durch die Anbringung des Vordaches. Dass hier unabhängig vom Antragstext die Rechtslage hinsichtlich der Anbringung des Vordachs zum Nachteil des Antragstellers geändert werden sollte, ist dem kurzen Antrags- bzw. Beschlussinhalt nicht mit der erforderlichen Klarheit zu entnehmen.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 11.10.1989, BReg 2 Z 71/89)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung
Anmerkung:
Bei dieser Entscheidung wird deutlich, dass das Gericht offensichtlich dem benachteiligten Eigentümer im Ergebnis helfen wollte, der zum einen sogar hinsichtlich des ersten Beschlusses zur Eingangsüberdachung positiv abstimmen ließ, zum anderen die an sich angezeigte Beschlussanfechtung gegen beide Beschlüsse versäumte (vor allem gegen den zweiten bestätigenden Beschluss). Ohne Zweifel war diese bauliche Veränderung für den betroffenen Eigentümer nachteilig (geringfügig?); dies hätte er allerdings auch schon im Zuge der Diskussion und kurz nach der Beschlussfassung erkennen und über fristgemäße Beschlussanfechtung rügen können. Im vorliegenden Fall hätten auch die Interessen der restlichen Eigentümer in irgendeiner Form berücksichtigt werden müssen, den Eingangsbereich abzusichern (Güterabwägung!). Lässt sich eine Absicherung nur über ein lichtdurchlässiges Vordach erreichen, hätte der Beschluss vielleicht schon als ordnungsgemäße Erstherstellungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahme angesehen werden können. Die Nachteilswirkung zu Lasten eines einzelnen Eigentümers hätte dann den vorrangigen Mehrheitsinteressen der Gemeinschaft untergeordnet werden können. Das Argument der Nichtigkeit eines Beschlusses bei unterstellter nicht möglicher, den Antragsteller nicht nur ganz unerheblich benachteiligender technischer/wirtschaftlicher Lösung überzeugt mich im vorliegenden Fall nicht.