Rz. 23
Die Anhörungsrüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Beteiligten von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Eine Verlängerung oder Abkürzung der Frist ist nicht möglich. Für den Lauf der Frist ist weder eine förmliche Zustellung an den Beteiligten noch eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung erforderlich. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (vgl. § 15 Abs. 2 S. 2 FamFG0. Bei einer fehlenden Einhaltung der Rügefrist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (§ 17 Abs. 1 FamFG). Der Zeitpunkt der Kenntnis ist durch den Rügeführern glaubhaft zu machen, wobei als Mittel der Glaubhaftmachung auch die Versicherung an Eides statt (§ 31 FamFG) in Betracht kommt. Die Form des § 29 GBO muss nicht gewahrt werden. Nach Ablauf eines Jahres seit der Bekanntgabe (§ 41 FamFG) der angegriffenen Entscheidung an diesen Beteiligten kann die Rüge nicht mehr erhoben werden; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht.
Rz. 24
Die Rüge ist schriftlich, als elektronisches Dokument oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird (§ 44 Abs. 2 S. 3 FamFG). Eine Verpflichtung zur Erhebung der Anhörungsrüge als elektronisches Dokument besteht auch für die in § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG aufgeführten Personen (Rechtsanwälte, Behörden, juristische Personen des öffentlichen Rechts etc.) seit dem 1.1.2022 nicht, da § 14b FamFG mangels eines ausdrücklichen Verweises auf diese Vorschrift in § 81 Abs. 3 GBO keine Anwendung findet. Beim BGH kann die Rüge nur schriftlich oder als elektronisches Dokument durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden.
Rz. 25
Die Anhörungsrüge muss stets – bereits innerhalb der Frist für die Einlegung der Rüge – die angegriffene Entscheidung bezeichnen und aufzeigen, dass eine andere Anfechtungsmöglichkeit ausscheidet. Zudem muss sich aus der Rügeschrift das Vorliegen der in § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FamFG genannten Voraussetzungen ergeben (§ 44 Abs. 2 S. 4 FamFG). Erforderlich ist eine Darlegung der Verletzung des Anspruchs des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise durch das Gericht). Diese Darlegung ist weniger als eine Glaubhaftmachung, darf aber auch nicht nur pauschale Ausführungen einer angeblichen Gehörsverletzung enthalten. Aufgezeigt werden müssen vielmehr Tatsachen, aus den sich die behauptete Gehörsverletzung ergibt. Zudem muss der unterbliebene Sachvortrag nachgeholt werden, der bei der Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre. Schließlich muss der Rügeführer aufzeigen, dass bei Berücksichtigung dieses Vortrages und einer aufgrund dessen möglicherweise gebotenen weiteren Sachaufklärung es zu einer für den Rügeführer günstigeren Entscheidung hätte kommen können. Fehlen Angaben zu der Entscheidungserheblichkeit des als übergangen gerügten tatsächlichen Vorbringens, ist die Anhörungsrüge unzulässig. Eine Nachholung dieser Angaben außerhalb der Frist des § 44 Abs. 2 S. 1 FamFG scheidet aus; vielmehr ist in diesem Fall die Anhörungsrüge bereits unzulässig.
Rz. 26
Die Entscheidungserheblichkeit ist bereits dann gegeben, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Berücksichtigung des Vorbringens zu einer anderen Entscheidung geführt hätte. Soweit erforderlich, ist den übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Sie sind betroffen, weil aus deren Sicht die Rechtskraft der Entscheidung nachträglich in Frage gestellt wird.