Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslandsreisekrankenversicherung: Auslegung von Bedingungen: Begrenzung des Versicherungsschutzes auf acht Wochen pro Reise
Leitsatz (amtlich)
Ist bei einer für die Dauer eines Jahres mit Verlängerungsmöglichkeit abgeschlossenen Auslandsreisekrankenversicherung nach dem Antragsformular der Versicherungsbeginn frei wählbar und wird nicht nach dem Beginn einer ersten Reise gefragt, so sind die Bedingungen, wonach der Versicherungsschutz "zu dem vereinbarten Zeitpunkt beginnt", während der ersten acht Wochen (56 Tage) jeder Auslandsreise besteht und mit Ablauf der achten Woche endet, nach der Unklarheitenregel (§ 305 c Abs. 2 BGB) in denjenigen Fällen, in denen der Versicherungsbeginn nach Antritt der Reise liegt, dahin auszulegen, dass der Versicherungsschutz für die erste Reise mit Beginn des Versicherungsvertrages beginnt und 56 Tage nach Beginn des Versicherungsvertrages, spätestens mit dem Ende der Reise, endet.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 10.06.2020; Aktenzeichen 4 O 269/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10.06.2020, Az. 4 O 269/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. In dieser Zeit kann auch die Berufung zurückgenommen werden, wodurch sich die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens halbieren würden.
Gründe
I. Die Klägerin schloss aufgrund Antrags vom 27.10.2018 einen Vertrag über eine Auslandsreise-Krankenversicherung als Zusatzschutz für "B.Kunden". Mitversicherter war ihr Ehemann. Die Klägerin gab im Antragsformular auf Seite 2 oben bei der Frage nach dem Versicherungsbeginn - erläutert mit dem rechts danebenstehenden Hinweis: "Versicherungsbeginn: Der Versicherungsschutz beginnt zum vereinbarten Zeitpunkt, frühestens an dem Tag, an dem uns der Antrag zugegangen ist" - den 04.01.2019 und als Reiseziel Thailand P. an.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 06.11.2018 zur Nr. 372/504067-N mit, der Versicherungsschutz gelte für die Klägerin und ihren Ehemann ab dem 04.01.2018, verbunden mit nachfolgendem Hinweis: "Sie können innerhalb eines Jahres so oft verreisen, wie Sie möchten. Bei jeder Reise sind Sie für die Dauer von bis zu 56 Tagen versichert". Ihr Schreiben stelle den Versicherungsnachweis dar. Nähere Informationen zum Leistungsumfang seien den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu entnehmen.
Nach Ziffer A.2.1 der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Auslandsreise-Krankenversicherung (AVB) für den Tarif RB16 für Einzelpersonen/Tarif RBF16 für Familien kommt der Vertrag durch Zugang eines Bestätigungsschreibens der Beklagten zustande; die Durchschrift des Antrags entspricht dann dem Versicherungsschein, wobei der Vertrag vor Antritt der Auslandsreise in Deutschland abgeschlossen werden muss.
Die Versicherungsdauer beträgt ein Jahr, wobei das Versicherungsjahr mit dem als Versicherungsbeginn vereinbarten Datum beginnt; der Vertrag verlängert sich jeweils stillschweigend um ein weiteres Jahr, wenn er nicht gekündigt wird (A.2.2 und A.2.3).
Nach A.3.1 beginnt der Versicherungsschutz "zu dem vereinbarten Zeitpunkt (Versicherungsbeginn)", sofern die Prämie rechtzeitig eingezogen werden konnte und der Vertrag nicht widerrufen wurde, jedoch nicht vor der Annahme des Antrags und vor Beginn des Auslandsaufenthaltes.
In A.3.4.1 S. 1 heißt es: "Der Versicherungsschutz beginnt nach der Regelung unter Ziffer 3.1 und besteht während der ersten 8 Wochen (56 Tage) jeder Auslandsreise der versicherten Person. Der Versicherungsschutz endet - auch für schwebende Versicherungsfälle - mit Ablauf der achten Woche der Auslandsreise. Vor Ablauf der achten Woche der Auslandsreise endet der Versicherungsschutz - auch für schwebende Versicherungsfälle -
- mit dem Ende des Auslandsaufenthalts,
- zu dem Zeitpunkt, zu dem der Vertrag endet.
Endet das Versicherungsjahr während des Auslandsaufenthalts, besteht der Versicherungsschutz nur fort, wenn der Vertrag nicht gekündigt ist..."
Gemäß Ziffer A.3.4.2 leistet die Beklagte für entschädigungspflichtige Versicherungsfälle jedoch über die vereinbarte Vertragsdauer hinaus, wenn eine im Ausland begonnene Behandlung fortgesetzt werden muss und eine Rückreise aus medizinischen Gründen nicht möglich ist.
Die Antragsunterlagen hatte die Klägerin aufgrund einer telefonischen Anfrage vom 24.08. 2018 bei einem Service-Center der Beklagten mit einem Produktinformationsblatt erhalten, in dem unter der Ziffer 1 darauf hingewiesen wird, dass das gewünschte Produkt eine Au...